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Urteile des Monats August: 9 Klatschen für die AfD

von | Aug 31, 2024 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde – es gibt auch immer mehr Urteile. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“, Rechtsextremist, Antisemit, AfD-Politiker, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fällt immer schwerer. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verfließen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen.

Seit 2024 schaffen wir die Urteile-Sammlungen leider nur noch monatlich. Letzten Monat berichteten wir darüber, wie die AfD Sachsen selbst Argumente für ihr mögliches Verbot lieferte, indem sie mit ihrem Eilantrag vor Gericht scheiterte. Diesen Monat, pünktlich zu den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September, sind neun Klatschen gegen die AfD ganz oben mit dabei. Sowie weitere Urteile, unter anderem gegen Julian Reichelts “NIUS” – wie fast jedes Mal.

01. Thüringen-AfD-Klage abgewiesen: Höcke gegen die Menschenwürde

Der rechtsextreme Thüringer AfD-Landesverband scheiterte mit einer Klage gegen den Thüringer Verfassungsschutz. Das Verwaltungsgericht Weimar lehnte eine Klage der Partei gegen den Verfassungsschutzbericht 2021 als unbegründet ab. Die rechtsextreme Partei hatte verlangt, drei Passagen aus dem Bericht zu entfernen und öffentlich zu korrigieren. Nicht jedoch focht die AfD Thüringen ihre Einstufung als “gesichert rechtsextrem” an. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die AfD kündigte bereits an, in die nächste Instanz gehen zu wollen.

Konkret ging es um drei Passagen im Verfassungsschutzbericht, in denen Posts der beiden AfD-Landessprecher und Rechtsextremisten Björn Höcke und Stefan Möller wiedergegeben wurden, nach Auffassung der AfD in verzerrter und verkürzter Art und Weise. Diese fanden sich unter den Überschriften „Islamfeindschaft: Verstöße gegen die Menschenwürde“, „Angriffe auf das Rechtsstaatsprinzip“ und „Geschichtsrevisionismus“.

Laut Gerichtsbeschluss sind die AfD-Zitate im Bericht jedoch richtig wiedergegeben worden. So kann beispielsweise Höckes Aussage, dass “nicht alle Kulturen kompatibel” seien, als ein Verstoß gegen die Menschenwürde interpretiert werden. “Auch könne es als Geschichtsrevisionismus interpretiert werden, wenn in einem Post zum Volkstrauertag in einer Aufzählung der Opfer der Weltkriege die Opfer des Holocausts fehlten”, wie das ZDF schreibt.

02. Correctiv bekommt gleich drei mal gegen Afd recht

Immer wieder wollen Rechte Correctiv durch Propaganda in Verruf bringen, immer wieder scheitern sie.

Konkret hat Correctiv ein Geheimtreffen von hochrangigen AfD-Politiker:innen, unter anderem dem persönlichen Referenten von Alice Weidel, anderen Neonazis, Werte-Union und Unternehmer:innen enthüllt, das im letzten November in Potsdam stattfand. Darin besprechen die Faschist:innen, wie man Millionen von Menschen vertreiben könne und auch in Lager (!) in Afrika stecken könne. Und zwar auch deutsche Staatsbürger:innen – diejenigen mit „falscher“ Herkunft oder Andersdenkende.

Fakt ist weiterhin: Das rechtsextreme Treffen in Potsdam wurde von Correctiv in ihrem Kernpunkten in ihrer bekannten Recherche korrekt wiedergeben und Correctiv darf weiter sagen, dass die “Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland” geplant wurde. Das Landgericht Hamburg stellte bereits in einem Urteil im Februar fest, dass bei den Punkten rund um Remigration, Staatsbürger und Ausbürgerung alles korrekt war.

Gleich Drei AfD-Politiker verlieren wegen Desinformation

Nun konnte Correctiv im August drei weitere Erfolge gegen AfD-Größen verkünden. Zunächst gegen Faschisten Höcke höchstpersönlich, der für die Thüringer AfD antritt. Gegen ihn hat das Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung erlassen. Er darf nicht länger behaupten, Correctiv habe „eine Deportationslüge“ verbreitet, die „von den etablierten Medien begierig aufgenommen“ worden sei.

Auch AfD-Bundestagsabgeordneter Baumann darf nicht mehr sagen: Correctiv „musste vor Gericht […] zurücknehmen. Sie behaupten nicht, dass irgendwie, dass Deportation, darüber geredet worden sei oder die Abschiebung deutscher Staatsbürger. Das war hohl durch und durch und durch.“ Das stimmt nämlich nicht!

Zu guter letzt fuhr Correctiv auch einen Erfolg gegen Jörg Urban, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag, ein. Er darf nicht mehr behaupten, es sei „gerichtsfest nachgewiesen, es wurde gelogen von Correctiv, die Deportationen, die da ins Spiel gebracht wurden, sind weder angedacht noch angesprochen worden.” 

Da die Entscheidungen im Eilverfahren gefällt wurden, sind sie noch nicht rechtskräftig. Nach den Correctiv-Recherchen versucht die AfD und andere Geheim-Treffen-Teilnehmer, mit Klagen und Abmahnungen, die Fakten um das Treffen zu Trüben. Unter anderem wurde auch gegen Volksverpetzer versucht, mit einstweiliger Verfügung vorzugehen – erfolglos:

03. AfD muss Medien bei Wahlparty zulassen

Wieder die Thüringer AfD: Sie hatte bestimmte Journalist:innen und Medien von ihrer Wahlparty nach den kommenden Landtagswahlen am Abend des 1. September ausgeschlossen. Das Landgericht Erfurt entschied nun, dass dies unrechtmäßig sei. Per einstweiliger Verfügung muss die AfD Thüringen den Antragstellern den gleichen Zugang zur Wahlparty ermöglichen wie anderen Medienvertretern auch. Insbesondere muss sie, wie beantragt, jeweils einen Journalisten der Redaktionen von Bild und Welt zulassen. Die AfD hat Widerspruch eingelegt, es kommt zur einer mündlichen Verhandlung am Samstag.

Unter den Klägern waren unter anderem die Berliner “tageszeitung” (taz), der “Spiegel”, die “Welt” und “Bild” sowie das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die AfD hat einigen Journalisten eine Akkreditierung verweigert, während andere Medien zugelassen wurden. Den Ausschluss begründete die Partei mit “geringen Kapazitäten am Veranstaltungsort.

Zugelassen seien daher solcher Journalisten, die kontinuierlich über die Landespolitik berichten”, wie die Tagesschau schreibt [sic!]. Es scheint wenig logisch, dass ausgerechnet taz, Spiegel, Welt und BILD nicht kontinuierlich über die Landespolitik berichten würden, aber die AfD ist auch bekannt dafür, ständig zu lügen. Es scheint ein schwaches Pro-Forma-Argument zu sein, um kritische Medien nicht dabei haben zu müssen.

Allgemein ist es umstritten, ob und auf welcher Rechtsgrundlage Journalist:innen einen Anspruch auf Teilnahme an Parteiveranstaltungen geltend machen können. Der entsprechende Eilantrag der oben genannten klagenden Medienhäuser berief sich dabei auf die Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes.

“Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird gegenüber dem AfD-Vorstand, bestehend aus Björn Höcke und Stefan Möller, ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft angedroht”, wie LTO schreibt.

Bereits zum Landesparteitag 2023 ließ die AfD das ARD-Magazin “Monitor” nicht zu – auch damals gab ein Gericht “Monitor” Recht und es musste zugelassen werden. Die AfD scheint unabhängige und kritische Medien nicht so zu mögen.

04. AfD-Hetzer Brandner: Strafe in Höhe von durchschnittlichem Jahresgehalt in Deutschland

Der rechtsextreme AfD-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Bundessprecher Stephan Brandner hat erneut ein Ordnungsgeld kassiert, diesmal in Höhe von 30.000 Euro, nachdem er die Spiegel-Journalistin Ann-Katrin Müller wiederholt als “Faschistin” bezeichnet hatte. Das Landgericht Berlin II verhängte das Ordnungsgeld im Twangsvollstreckungsverfahren Ende Juli.

Damit hat die 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin II Brandner inzwischen zum dritten Mal zur Zahlung eines Ordnungsgeldes verurteilt, weil er sich erneut nicht an den Beschluss gehalten hat, die Bezeichnung von Ann-Katrin Müller als “Faschistin” zu unterlassen. Bereits im Januar 2024 hatte die Kammer ein Ordnungsgeld von 5.000 Euro und im April 2024 ein weiteres in Höhe von 15.000 Euro verhängt. 

Insgesamt beläuft sich das gegen Brandner verhängte Ordnungsgeld mittlerweile nun auf 50.000 Euro. Ein durchschnittliches Jahresgehalt in Deutschland. Volksverpetzer hat über den Fall hier schon berichtet:

Zum ungefähr gleichen Zeitpunkte legte Brandner auch überraschend seinen Twitter-Account still. Mit knapp 75.000 Followern war dieser Account eines der Hauptmittel, um seine Hetze und Desinformation zu verbreiten. Offiziell behauptet Brandner, er täte das als “Sommerpause”, um sein Profil zu renovieren und zu säubern. Doch es liegt nahe, dass dieser Schritt mit dem wachsenden juristischen Druck im Zusammenhang mit seiner Diffamierungskampagne gegen Ann-Kathrin Müller zu tun hat. Mitten im Wahlkampf eine “Sommerpause” einlegen? Hat er möglicherweise Angst, dassnoch mehr Beleidigungen gefunden werden könnten, die das Ordnungsgeld noch weiter in die Höhe treiben?

Der AfD-Rechtsextremist Stephan Brandner ist schon sehr häufig mit menschenverachtenden und rassistischen Aussagen aufgefallen. Auch erhielt er auffällig viele Ordnungsrufe während seiner Zeit im Thüringer Landtag.

05. Rekordstrafe für AfD-Landtagsabgeordneten

Der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Jörg Dornau wurde vom Landtag Sachsen zu einer Rekord-Geldstrafe verurteilt, insgesamt knapp 21.000 Euro, also drei Monatsdiäten

“Wie der Landtag mitteilte, hat Dornau innerhalb der gesetzlichen Frist verschwiegen, dass er in Belarus an dem Unternehmen “000 Zybulka-BEL” beteiligt ist. Außerdem habe der Abgeordnete seine Tätigkeit als Direktor des Unternehmens nicht rechtzeitig angezeigt”, schreibt der MDR.

Laut Presseberichten ist Dornau seit 2020 Eigentümer eines Agrarbetriebs in Belarus und seit 2023 auch dessen Geschäftsführer. In diesem Betrieb werden hauptsächlich Zwiebeln und Gemüse angebaut, aber auch Melonen und andere Erzeugnisse.

Dornau behielt also seine Nebeneinkünfte für sich und informierte erst sehr spät darüber. In der Vergangenheit diskreditierte er Mitglieder der belarussischen Opposition. Seine mögliche Nähe zur belarussischen Regierung ist zwar nicht belegbar, doch ohne politische Beziehungen zum politischen System einen Landwirtschaftsbetrieb in einer Diktatur aufbauen zu können, sei schwer vorstellbar, wie Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt sagte. Dass er durchaus ein Fan von Diktator Lukaschenko ist, machte Dornau bereits mehrfach deutlich. Über die Verhaftung von einem belarussischen Oppositionellen verbreitete der AfD-Mann Verschwörungserzählungen.

“Seit der Wiedervereinigung gab es im Sächsischen Landtag nur zwei Fälle, in denen ein Ordnungsgeld verhängt wurde. Einer traf den AfD-Politiker André Barth, der den Verlust seiner Anwaltszulassung nicht angegeben hatte. Er musste 1.000 Euro zahlen. Das zweite Ordnungsgeld wurde 2017 gegen die frühere AfD-Chefin Frauke Petry verhängt, weil sie von einer Russlandreise mit einem Privatjet zurückgeflogen war und so einen geldwerten Vorteil erhalten hatte. Sie musste 2.500 Euro zahlen”, wie die FAZ schreibt.

06. Polizei hängt “Hitergruß”-AfD-Wahlplakate ab

Die Polizei hat AfD-Wahlplakate in Frankfurt (Oder) abgehängt. Konkret handelt es sich um ein Wahlplakat des AfD-Landtagsabgeordneten Wilko Möller, Mitglied des brandenburgischen Landtags seit 2019. Auf dem Wahlplakat sind zwei Erwachsene zu sehen, die jeweils einen Arm über drei sitzende Kinder heben.

Eine Geste eines Mannes auf dem Plakat erinnert stark an einen Hitlergruß, weswegen nun die Staatsanwaltschaft wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen gegen Möller ermittelt. Unabhängig davon, wie das Ermittlungsverfahren gegen Möller ausgeht, ist das Plakat gemäß der Staatsanwaltschaft rechtswidrig, weswegen die Polizei diese abhing. 

Laut eines BILD-Berichts entwarf eine Werbeagentur das Wahlplakat, im Original hebt der Mann aber seinen linken Arm – das Bild wurde für das Plakat gespiegelt. Möller selbst wisse nicht, weshalb. Kein Hang zu NS-Symbolik? Auf dem Auto seines Wahlkreisbüros klebt ein Sticker mit der Aufschrift “Ich bin weiß – und das ist auch gut so”. Nicht nur das:

Aufsehen erlangte Möller ebenfalls, nachdem er zum 80. Jahrestag des Hitler-Attentats am 20. Juli ein Video postete, in welchem er sagt: „Gerade in der heutigen Zeit hat jeder Bürger auch die Möglichkeit, Widerstand zu leisten, indem er einfach am 22. September das Kreuz an der richtigen Stelle macht. Und die Regierung auf demokratischem Wege ablöst. Es muss ja keine Bombe sein …“ Ein unglaublicher Vergleich zwischen der NS-Diktatur und der heutigen demokratischen Bundesrepublik.

Das Video ist bis Redaktionsschluss dieses Artikels immer noch auf seinem Facebook-Account zu finden.

07. AfD-Klage abgewiesen: Bremer wahl wird nicht wiederholt

2023 wurde die AfD nicht zur Bremer Bürgerschaftswahl zugelassen – der Grund: Eigenverschulden. Im Vorfeld der Wahl hatten nämlich zwei rivalisierende Vorstände des zerstrittenen Landesverbands jeweils separate Listen mit Kandidat:innen eingereicht. Es ist jedoch nur eine Liste pro Partei zulässig, daher der Ausschluss für alle. Diese Entscheidung wurde bereits vom Wahlprüfungsgericht im Dezember als rechtmäßig bestätigt. Dagegen legte die AfD jedoch Beschwerde beim Bremer Staatsgerichtshof ein. Dieser entschied jedoch nun, dass der Ausschluss der AfD von der Wahl rechtens war. Das Urteil ist nicht mehr anfechtbar.

Als Begründung trugen die Richter:innen unter anderem vor, dass es von entscheidender Bedeutung sei, dass jede Partei nur einen Wahlvorschlag einreicht, um ihre Funktion in der politischen Willensbildung erfüllen zu können. Es liegt auf der Hand, dass die AfD dies durch interne Streitereien nicht gewährleisten konnte. Die Bremer AfD ist dabei nicht die erste, die sich lieber internen Streitereien als lösungsorientierter Politik hingibt, wie beispielsweise auch die Baden-Württemberger AfD:

08. Gefängnisstrafe für Rechtsextremist Liebich?

Wir lassen die AfD endlich hinter uns, bleiben aber bei Rechtsextremen: Das Landgericht Halle hat den Rechtsextremisten Sven Liebich zu einer Gefängnisstrafe von eineinhalb Jahren ohne Bewährung verurteilt. Er legte dagegen Revision ein, das Urteil ist vorerst nicht rechtskräftig. Es wäre die erste Haftstrafe für den Rechtsextremisten. Es handelte sich bereits um ein Berufungsverfahren. Liebich wurde unter anderem wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung in mehreren Fällen für schuldig gesprochen.

Das Landgericht bestätigte mit seinem Urteil die Verurteilung, die das Amtsgericht Halle im letzten Jahr ausgesprochen hatte. Sowohl Liebich als auch die Staatsanwaltschaft Halle legten damals Berufung ein. Für Liebich war die Strafe zu hoch, für die Staatsanwaltschaft zu niedrig. Das Landgericht wies jedoch nun beide Berufungen zurück, sodass die Strafe weiterhin Bestand hat. Auch wir haben damals berichtet:

Laut Urteilsbegründung des Amtsgerichts Halle 2023 setzt sich die Strafe folgendermaßen zusammen: Liebich wird wegen Volksverhetzung verurteilt, weil er in seinem Onlineshop Baseballschläger mit der Aufschrift “Abschiebehelfer” verkauft hat. “Das ist abscheulich und gefährlich,” kommentierte die Richterin.

Das Gericht wertete die hetzerischen Beleidigungen und falschen Behauptungen, die Liebich über Aktivistinnen, Geflüchtete und mehrfach über eine Fotografin verbreitet hatte, als Volksverhetzung sowie als üble Nachrede und Beleidigung in mehreren Fällen. Auch wegen Billigung des russischen Angriffskrieges wurde er nun verurteilt.

Der bekannte Rechtsextremist und verurteilte Volksverhetzer fiel bereits vor der Covid-19-Pandemie durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und entsprechend volksverhetzende Aussagen auf. Oft genug wurde er dafür auch je nachdem mal verurteilt oder freigesprochen, verurteilt aber bisher immer auf Bewährung. Das änderte nun das Urteil in Halle. 

Auch ein Urteil des Amtsgerichts Leipzig ist noch nicht rechtskräftig, das ihn zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt hat – wegen gefährlicher Körperverletzung. Auch in Leipzig wird er demnächst wieder vor Gericht stehen, außerdem liegen weitere Anklagen gegen den Rechtsextremisten beim Amtsgericht Halle

09. VVP-Autor wehrt sich erfolgreich gegen SLAPP-Klage

Der Freiburger Blogger Sebastian Müller, der auch als freier Autor für den Volksverpetzer schreibt, errang im Rechtsstreit mit einer Ärztin einen Erfolg. Hintergrund ist ein Artikel aus dem Jahr 2022, in dem er zwei Listen für die Ärztekammerwahlen in Südbaden (Baden-Württemberg) kritisierte. Konkret ging es um die Listen “Hippokratischer Eid” und “Integrative Medizin”. Laut seiner Einschätzung handelte es sich bei der Liste “Hippokratischer Eid” um eine “Hardcore Schwurbel Liste”, auf der auch zwei Ärzte wiederzufinden sind. Über die Liste “Integrative Medizin” schrieb er im entsprechenden Artikel:

“Während die beiden [die beiden Ärzte auf der Liste “Hippokratischer Eid”, Anm. d. Red.] aus meiner Sicht dem Querdenken Umfeld oder zumindest deren Ideologischer Ausrichtung zuordnen sind, so wie eine Reihe von anderen Ärzten. Besteht die Liste Integrative Medizin, aus einer Reihe homöopatisch und alternativ medizinisch tätiger Ärzt:innen. [sic!]”

Die Ärztin Dr. med. Birgitt Montz, die auf der Liste “Integrative Medizin” an erster Stelle stand, wehrte sich juristisch gegen Müllers Einschätzung, es kam zu einem Rechtsstreit. Nun zogen die Anwälte von Montz die Berufung gegen ein Gerichtsurteil vom Oktober 2023 zurück, als das Landgericht Frankfurt (Main) urteilte, dass oben genanntes Zitat zulässig ist, da es klar als Meinungsäußerung zu werten ist. Ebenfalls eine zulässige Meinungsäußerung ist laut Gericht, dass es für TCM (traditionelle chinesische Medizin) keinen Wirkungsnachweis gibt. Montz bietet laut ihrer Website unter anderem TCM an. Löschen musste Müller lediglich eine Vermutung über den Umgang mit (falschen) Maskenattesten. 

In einem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main), der dem Volksverpetzer vorliegt, wiesen die Richter:innen darauf hin, dass sie die Berufung der Ärztin als unzulässig und unbegründet zurückweisen wollen. In Bezug auf obiges Zitat schreiben sie: 

“Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände muss die Klägerin die streitgegenständliche Äußerung als von der Meinungsfreiheit gedeckt hinnehmen, da im konkreten Fall ihr Persönlichkeitsrecht nicht überwiegt. Die Klägerin ist mit der Äußerung nur indirekt betroffen. Konkret behandelt die angegriffene Passage andere Ärzte und stellt einen Bezug zur Wahlliste auf, deren ersten Listenplatz die Klägerin innehat. Nur als Teil dieses Kollektivs/ dieser Wahlliste wurde die Klägerin thematisch miterfasst. Konkret führt der Beklagte im Hinblick auf die Klägerin lediglich aus, welche Behandlungsmethoden diese in ihrer beruflichen Tätigkeit ausübt, welchen Schluss der Leser daraus zieht, bleibt ausdrücklich offen.”

Montz’ Klage kann als SLAPP-Klage gewertet werden. Dieses Kürzel steht für strategic lawsuits against public participation und “befasst sich mit einem Phänomen, das sich steigender Beliebtheit erfreut: Klagen, die in erster Linie erhoben werden, um unliebsame Kritik zu unterdrücken. Insbesondere bei rechten Akteuren sind SLAPPs zuletzt immer beliebter geworden”, wie Johannes Maurer im Verfassungsblog schreibt.

10. “Nius” muss trans Frau Frau nennen

Im Mai berichtete Julian Reichelts Desinformationsplattform “Nius”, dass einer trans Frau der Zugang zu einem Frauenfitnessstudio verweigert wurde und bezeichnete sie dabei als Mann. Sie hat sich nun erfolgreich vor Gericht gegen das Misgendern sowie die Veröffentlichung ihres Namens und Bildes gewehrt. Zuvor hatte Reichelt im Juli gegen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes vor Gericht gewonnen, im selben Fall. Wir berichteten:

Hintergrund ist, dass sich eine trans Frau, die noch keine geschlechtsangleichende OP vornehmen hat lassen, bei einem Fitnessstudio für Frauen in Erlangen anmelden wollte. Die Studiobetreiberin lehnte sie jedoch ab, der vermeintliche Grund: Frauen sollten sich in einem reinen Frauen-Fitnessstudio sicher fühlen. Auch einen Kompromissvorschlag, dass die potenzielle Kundin Umkleiden und Duschen nicht benutzen würde, lehnte das Fitnessstudio ab.  

Nach einem Schreiben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, an die sich die betroffene Frau wandte und das bei Reichelt landete, titelte er daraufhin, seiner Transfeindlichkeit freien Lauf lassend: “Regierung will 1.000 Euro Bußgeld für Frauen-Fitnessstudio, weil es einen Mann nicht in Dusche lassen will” und “Der Trans-Wahnsinn geht schon Ios: Frauen, die nicht mit Männern duschen wollen, sollen Strafe zahlen”.

Achtung: Das ist natürlich alles nicht richtig! 1. Die Antidiskriminierungsstelle ist nicht dasselbe wie die Regierung (siehe oben). 2. Sie kann weder ein Bußgeld, noch eine Strafe erlassen. Und es handelte sich lediglich um einen Schlichtungsvorschlag, Betonung auf Vorschlag. 3. Eine trans Frau ist kein Mann. 4. Die Kundinnen des Fitnessstudios hätten niemals eine Strafe zahlen müssen. 5. Die betroffene Frau hatte sogar angeboten, die Duschen und Umkleiden nicht zu benutzen. Also wohl genau so inhaltlich korrekt wie das meiste, was bei Reichelt und “Nius” steht!

misgendern ist angriff auf die menschenwürde

Dass die falsche Anrede einer trans Frau nicht unter die Meinungsfreiheit fällt, sondern als Angriff auf die Menschenwürde gewertet werden muss, urteilte nun das Landgericht Frankfurt (Main). Durch einen Eilbeschluss untersagte das LG “Nius” vorläufig nicht nur die falsche Anrede, sondern auch die Verbreitung eines Fotos und des Klarnamens der betroffenen Person. In drei zusätzlichen Punkten gab das Gericht den Unterlassungsanträgen der Frau nicht statt. 

Es ist nicht das erste Mal, dass Reichelt wegen Misgenderns verurteilt wird. Bereits im Juli 2023 verlor er gegen die Journalistin Janka Kluge. Noch ist unklar, ob “Nius” Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss einlegen wird. Und es ist nicht einer von vielen juristischen Niederlagen Reichelts, der in unserer Serie regelmäßig einen Auftritt hat.

11. Sängerin Melanie Müller wegen Hitlergruß verurteilt

Das Amtsgericht Leipzig verhängte gegen Sängerin Melanie Müller eine Geldstrafe, weil sie auf einem Konzert im September 2022 den Hitlergruß gezeigt hatte. Zudem wurde sie wegen Drogenbesitzes bestraft. Bei einer Durchsuchung von Müllers Wohnung in Leipzig waren 0,69 Gramm Kokaingemisch und eine Ecstasy-Tablette gefunden worden. Das Strafmaß: 160 Tagessätze à 500 Euro, insgesamt 80.000 Euro. Damit ging das Gericht deutlich über die geforderten 95 Tagessätze à 60 Euro der Staatsanwaltschaft hinaus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sobald es das ist, gilt Müller damit als vorbestraft.

Laut einem BILD-Bericht laufen in Leipzig gegen die Sängerin auch noch mehrere Verfahren wegen “Nichtabgabe der Vermögensauskunft”, also weil gegen die Sängerin Forderungen von Gläubigern vorliegen.

Auf den Punkt gebracht hat es Staatsanwalt Schmelzer bezüglich des Hitlergruß-Verfahrens:

“Ein Hitlergruß ist auch strafbar, wenn man kein Nazi ist. Wir müssen auch auf die Situation schauen. Die Videos geben ein klares Bild von der Stimmung im Zelt. Zumindest die Sieg-Heil-Rufe in der zweiten Reihe direkt vor ihr muss sie gesehen oder gehört haben.” 

12. Rechtsextremist erneut wegen Volksverhetzung verurteilt 

Der Rechtsextremist Nikolai Nerling, auch bekannt als „Volkslehrer“, hat auf seinem Telegram-Kanal wiederholt in Deutschland lebende ukrainische Geflüchtete beleidigt. Dafür wurde er nun zu einer Geldstrafe verurteilt; der Vorwurf der Volksverhetzung ist bereits rechtskräftig.

Gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Winsen hatte Nerling Einspruch eingelegt. Bevor es jedoch zur Hauptverhandlung kam, beschränkte er diesen lediglich auf die Überprüfung der Höhe des Tagessatzes. Somit ist er rechtskräftig wegen Volksverhetzung verurteilt. Die Geldstrafe ist in Höhe von 4.500 Euro beantragt worden (150 Tagessätze zu je 30 Euro). 

Nerling wurde bereits in der Vergangenheit rechtskräftig wegen Volksverhetzung verurteilt, beim Landgericht Berlin läuft eine Berufungsverhandlung gegen ihn. Im Mai 2018 wurde dem ehemaligen Grundschullehrer fristlos gekündigt – zu Recht, wie ein Gericht 2019 entschied.

Hinweis der Redaktion: Teile dieses Artikels wurden mit Hilfe künstlicher Intelligenz erstellt. Artikelbild: Matthias Bein/dpa