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Faktencheck: Imane Khelif ist eine cis Frau

von , | Aug 1, 2024 | Faktencheck

Imane Khelif hat einst davon erzählt, wie sie als Mädchen in einem ländlichen Dorf in Algerien aufwuchs, und dass ihr Vater ihr anfangs nicht erlaubte, Sport zu treiben, da ihr Vater Boxen nicht für angemessen für Mädchen halte. Richtig: Imane Khelif ist als Frau geboren und aufgewachsen. Sie ist eine cis Frau – also eine Frau, die sich mit dem Geschlecht identifiziert, das bei der Geburt bestimmt wurde. Dieses Bild zeigt sie als kleines Mädchen mit ihrer Familie:

Hier ein weiteres Bild:

Auch ein Sprecher des Olympischen Komitees erklärte unter anderem über Imane Khelif: “Alle Teilnehmer halten sich an die Regeln für die Teilnahme an Wettkämpfen” und fügte hinzu, dass es “feststeht, dass sie Frauen sind”.

Was ist passiert?

Gerade ist die Aufregung groß, weil Imane Khelif die italienische Boxerin Angela Carini bei der Olympiade nach 46 Sekunden besiegt hat. Nachdem sie innerhalb von 30 Sekunden einen Schlag ins Gesicht bekommen hatte, ging Carini in die Ecke in die Ecke, um sich von ihrem Trainer den Kopfschutz richten zu lassen, kehrte dann aber wieder in ihre Ecke und unterbrach den Kampf.

Sie erklärte, sie habe einen starken Schmerz in ihrer Nase gehabt und sagte “Das ist nicht richtig.” Sie erklärte sogar, sie habe ihr “Leben schützen” müssen. Die Desinformation wird jetzt verbreitet, auch angestachelt von Mitgliedern der rechtsradikalen Regierung Italiens, dass Imane Khelif eine trans Frau sein solle oder gar ein “Mann”. Auch hierzulande glauben das viele und verbreiten das weiter. Wie kommen die da drauf?

Hohe Testosteronwerte

Imane Khelif wurde für die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris 2024 zugelassen, nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOC) sie nach medizinischen Bewertungen als geeignet befunden hatte. Ihr Testosteronspiegel lag in den 12 Monaten vor dem Turnier und währenddessen unter den geforderten 10 nmol/L.

Bei den Box-Weltmeisterschaften 2023 wurde sie aber wegen erhöhter Testosteronwerte disqualifiziert. Umar Nasarowitsch Kremlew, Präsident der International Boxing Association (IBA), behauptete, dass DNA-Tests bewiesen hätten, dass Khelif über XY-Chromosomen verfüge. Das ist jedoch eine Behauptung, die mit Vorsicht zu genießen ist. Aber daher stammt die Falschbehauptung, dass es sich bei Imane Khelif um einen Mann bzw. eine trans Frau halten solle.

Genetische Besonderheiten

Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Aussagen der IBA und damit von Kremlew mit Vorsicht zu genießen sind. Das IOC hat den IBA ausgeschlossen, die Boxwettkämpfe auszutragen. Die Vorwürfe sind Korruption, konkret „mangelnde finanzielle Transparenz“ und „fehlende Integrität der Schiedsprozesse“ und zu enger Beziehungen zu Putin.

Imane Khelif ist nicht trans, sondern hat möglicherweise eine seltene genetische Disposition, eine Variante der Geschlechtsentwicklung. Laut einer Studie sollen 6,4 von 100.000 Frauen XY Chromosomen aufweisen. Ja, ein Y-Chromosom macht einen nicht automatisch zum Mann. Es gibt auch Frauen mit XY-Chromosomen, die Kinder zur Welt gebracht haben.

Falls dies bei ihr zutreffen würde – es könnte allerdings auch etwas anderes sein – könnte das möglicherweise zu (manchmal?) erhöhten Testosteron-Werten führen. Ob das zu einem größeren biologischen Vorteil führen könnte und ob das den Wettbewerb “unfair” machen könnte, das können wir nicht beurteilen und kann auch gerne diskutiert werden. Khelif ist deshalb jedoch kein “Mann” und auch nicht trans.

Imane Khelif ist eine Frau

Also: Ob Imane Khelif XY Chromosomen hat, ist unklar, und selbst wenn, würde es sie nicht zu einem “Mann” machen. Sie wird manchmal auch als “Intersex” bezeichnet, ist jedoch als Frau geboren und aufgewachsen. Eine Transition hat sie nie durchgemacht. Das wäre in Algerien auch verboten. Zur großen Debatte wurde das jetzt überwiegend aufgrund des letzten, ungewöhnlichen Kampfes, den Rechtsextreme und andere Transphobe ausnutzen.

Zuvor hat Imane Khelif auch nicht besonders herausragend gegen andere cis Frauen abgeschnitten, 2018 wurde sie Siebzehnte, 2019 landete sie auf Platz 33, 2022 verlor sie im Finale.

Wie gesagt, ob sie einen biologischen Vorteil durch ihre vermeintliche Disposition hat oder nicht, kann gerne diskutiert werden. Die Debatte um trans Personen ist jedoch fehl am Platz. Wer ihr aufgrund ihrer Kondition und trotz ihres Aufwachsens das Frau-Sein abschreiben will, muss entweder eingestehen, dass es Intersex-Personen gibt und damit mehrere Geschlechter oder akzeptieren, dass sie eine Frau ist. Denn ein Mann ist sie ganz sicher nicht und war sie nie.

Artikelbild: John Locher/AP; Screenshot https://twitter.com/DZFOOTBALLDZ/status/1818618293877428249