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Der wahre Skandal hinter den RKI-Files!

von | Jul 26, 2024 | Aktuelles

Der wahre Skandal hinter der neuesten Aufregung zu den sogenannten RKI-Files ist, dass es echt immer noch verzweifelte Pandemie-Leugner und Corona-Verharmloser gibt, die nicht akzeptieren können, dass sie falsch lagen. Dass sich ihre Verschwörungserzählungen nie bewahrheitet haben und die große Mehrheit der Deutschen sich nicht für ihre arroganten Rachefeldzüge interessiert. Sie verwechseln die Unlust der vielen vernünftigen Menschen, nicht auch noch ein viertes Jahr über deren Schwurbeleien zu reden, mit Scham oder Schuld. Und sie fordern selbstherrlich Rache, während der Rest sich fragt, ob Versöhnung möglich ist. Sie fordern Entschuldigungen, ohne je ihre Mitverantwortung am riesigen Schaden an der Gesellschaft und dem Leben und der Gesundheit vieler Menschen anzuerkennen.

Zuerst ein paar Fakten über Corona und Impfungen

Laut Watson et al. (2022) leben weltweit 20 Millionen Menschen mehr allein nach dem ersten Jahr der Impfung. Eine Studie der WHO schätzt, dass die Impfung bis März 2023 1,4 Millionen Menschen in Europa gerettet hat. Wer geimpft ist, hat ein viel geringeres (allgemeines) Todesrisiko (Al-Aly et al. 2022) als Ungeimpfte – teilweise um den Faktor 10 weniger (Raisi-Estabragh et al. 2022) – sogar noch ein Jahr nach Infektion (Ortega-Paz 2022 et al.).

Eine große Meta-Studie von Cochrane (Graña et al. 2022) zeigte: Geimpfte haben ein viel geringeres Risiko gehabt, ins Krankenhaus zu müssen oder zu sterben. Und diese Meta-Studie besagt auch wörtlich: „Wahrscheinlich gibt es bei den meisten Impfstoffen keinen oder nur einen geringen Unterschied zu Placebo in Bezug auf schwerwiegende unerwünschte Ereignisse.“ Es ist wissenschaftlicher Konsens: Die Corona-Impfungen sind und waren sicher und wirksam.

Hier dutzende Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit der Impfungen belegen:

Ali et al., 2021; Al Kaabi et al., 2021; Arbel et al. 2023; Asano et al., 2022; Bobrovitz et al. 2023;  Bonelli et al., 2021; Bueno et al., 2021; Clemens et al., 2021, Dunkle et al., 2021; Ella et al., 2021a; Ella et al., 2021b; El Sahly et al., 2021; Fadlyana et al., 2021; Falsey et al., 2021; Formica et al., Föhse et al. 2023; 2021; Frenck et al., 2021; Guo et al., 2021; Hall et al., 2021; Hall et al 2022; Han et al., 2021; Heath et al., 2021; Keech et al.2020. Kremsner et al., 2021; Kulkarni et al., 2021.

Joshi et al. 2023; Li 20 et al.,21a; Liu et al., 2021; Logunov et al., 2021; Mok et al., 2021; Madhi et al., 2021a, Madhi et al., 2021b, Palacios et al., 2020; Sablerolles et al., 2021; Sadoff et al., 2021a; Sadoff et al., 2021b; Shinde et al., 2021; Tanriover et al., 2021; Thomas et al., 2021; Toledo‐Romani et al., 2021; Voysey et al., 2021a, Walsh et al., 2020; Wu et al.; Yong et al. 2022; 2021a; Xia et al., 2020; Xia et al., 2021; Zhang et al., 2021.

Je mehr Impfungen, desto weniger Übersterblichkeit

Es gibt einen wissenschaftlich robusten Zusammenhang zwischen Impfquote und Übersterblichkeit – je mehr Impfungen, desto weniger Übersterblichkeit (Schöley et al. 2022; Matveevaa et al. 2023). Das gilt für die USA. Das gilt auch für Deutschland.

Bei alledem muss man bedenken: Gerade in Gebieten mit niedrigerer Impfquote wird ein geringerer Anteil der vielen Covid-Todesfälle auch erfasst (Sobieszek et al. 2022). Das heißt, dass Studien, die auf offiziellen Todeszahlen aufbauen, den positiven Effekt der Impfung sogar deutlich unterschätzen. 

2022 sind 52.000 Menschen an Covid gestorben. In Deutschland wurden bis Anfang 2024 65 Millionen Menschen gegen Corona geimpft und Impfungen haben demnach Hunderttausende Leben gerettet. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hatte bis zum ersten Quartal 2023 nur 127 Todesfälle im Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung anerkannt. 11.827 Menschen beantragten einen Antrag auf Anerkennung eines Schadens durch die Corona-Impfung, davon wurden bisher gerade einmal 467 anerkannt.

Die Liste an Verschwörungen, Behauptungen und Zahlen, bei denen die Querdenker & Co. völlig daneben lagen, ist lang. Wir haben hier eine sehr, sehr lange Liste angefertigt. Sie haben systematisch Corona verharmlost und die Impfung verteufelt, und damit viele Menschenleben gefährdet und wollen jetzt, dass WIR uns entschuldigen?

Lügen, widerlegte Spekulationen, unbelegte Aufregung

Und was steht jetzt so in den ominösen “RKI-Files” angeblich so Schlimmes? Eine Berliner Desinformationsverbreiterin hat die vollständigen Corona-Protokolle des Robert-Koch-Instituts (RKI) von einem ehemaligen Mitarbeiter erhalten und unzensiert ins Internet gestellt. Vorwürfe von Doxing von RKI-Mitarbeitern wurden geäußert. Diese Protokolle dokumentieren die Sitzungen des RKI-Krisenstabs von Januar 2020 bis Juni 2023 und geben Einblick in die Überlegungen und Ratschläge des RKI während der Pandemie. Vorherige Veröffentlichungen der Protokolle waren durch umfangreiche Schwärzungen gekennzeichnet, was zu Forderungen nach mehr Transparenz führte.

Die vom RKI bereits veröffentlichen Dokumente sorgten schon im März für viel aufgebauschte Inszenierung durch Querdenker, Rechte & Co., die verzweifelt nach jedem Strohhalm griffen, um ihre Mitschuld am Schaden durch Corona im Nachhinein zu überdecken. Einige ihrer Verschwörungsmythen dazu haben sich bereits als Fake herausgestellt – ohne dass irgendjemand sich dafür im Nachhinein entschuldigen würde natürlich, mal wieder.

Bei einer Hochstufung der Risikobewertung war in der ersten Veröffentlichung der Name des Verantwortlichen geschwärzt. Wie man deutlich in den RKI-Files sehen kann, ging es dabei nicht um die fachliche Einschätzung, sondern nur um die Freigabe der Risikobewertung für die Öffentlichkeit.

Quelle

Die verschwörungsgläubigen Querdenker behaupteten natürlich einfach, dass es sich hierbei nicht um einen RKI-Mitarbeiter handeln sollte, sondern um einen Politiker oder sonst wen. Dabei handelte es sich – Überraschung – um den damaligen RKI-Vizepräsidenten Schaade. Genau wie wir seinerzeit in einem Artikel vermuteten.

Die Querdenker zünden hier einfach immer neue Nebelkerzen, die sich nach und nach als völlig harmlos oder Fake herausstellen, und hoffen einfach, dass Details in der Masse der künstlichen Empörung untergeht. Klar, die Influencer dieser Szene haben auch ein finanzielles Interesse daran, ihre Follower bei Laune zu halten. Sofern sie gerade nicht im Gefängnis sitzen.

Künstliche Aufregung durch aus dem Kontext gerissenen Sätze

Die bereits dritte Inszenierung um die “RKI-Files” enthält zahlreiche neue Punkte und Sätze, die Anlass für Verschwörungsmythen bieten sollen. Bei genauerer Betrachtung erweisen sich viele der vermeintlich brisanten Details als weit weniger skandalös als behauptet. Bekannt war bereits, dass die Politik nicht immer den Ratschlägen des RKI folgte und dass die Kommunikation über die Maßnahmen teilweise fragwürdig war. Auch Uneinigkeiten innerhalb des RKI-Krisenstabs über die besten Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung sind dokumentiert.

Querdenker behaupteten, das RKI und die Politik hätten in einer Verschwörung eine bestimmte Agenda gehabt, dabei belegen die RKI-Protokolle genau das Gegenteil: Über jede Maßnahme wurde intensiv und ergebnisoffen diskutiert, es gab gegensätzliche Meinungen. Eigentlich zeigen die RKI-Files, dass es ja offensichtlich keine Verschwörung gab. Die Verschwörungsideologen, die zuvor jede RKI Aussage als Propaganda abgetan haben, reißen jetzt die – und nur die – Aussagen von Mitarbeitern, die ihnen in ihre Erzählungen passen, aus dem Kontext und behaupten, das sei die Wahrheit gewesen. Ach, jetzt glauben sie plötzlich dem RKI oder was? Dabei täuschen sie wie immer kräftig selbst.

Querdenker glauben, wir haben ein so schlechtes Gedächtnis wie sie selbst

Erstes Beispiel, wie die Querdenker dich einfach dreist verarschen wollen: Prof. Drosten hatte im August 2020 in einem Gastbeitrag in der ZEIT mit Blick auf Beispiel Japan spekuliert, ob es sinnvoll ist, lieber Übertragungscluster zu unterbinden, statt “viel und ungezielt zu testen”. Hier:

Es hilft ein Blick nach Japan. Das Land warnte seine Bürger frühzeitig vor großen Menschenansammlungen, geschlossenen Räumen und engem Kontakt. Wie anderswo in Asien sind Masken weit akzeptiert. Statt viel und ungezielt zu testen, hat Japan früh darauf gesetzt, Übertragungscluster zu unterbinden. Dazu hat das Land offizielle Listen von typischen sozialen Situationen erstellt, in denen Übertragungscluster entstehen, und sie öffentlich bekannt gemacht. Die Gesundheitsbehörden suchen in der Kontakthistorie eines erkannten Falls gezielt nach bekannten Clusterrisiken.

Das Gleiche sagte er auch in seinem Podcast. In den RKI-Files taucht diese (dort unveröffentlichte) Empfehlung von Drosten nun eben auch auf – Überraschung. Querdenker inszenieren das jetzt als “wissenschaftliches Papier” – es ist ein “Textentwurf zur Kommentierung” – das verheimlicht worden sein sollte.

Wir hier in der realen Welt wissen aber, dass Drosten das öffentlich geäußert hatte. Während Querdenker auf Telegram ihre Märchenstunde hatten, haben wir damals die echte wissenschaftliche und politische Debatte verfolgt. Volksverpetzer hat das damals auch gefordert. Und Lauterbach auch! Wir erinnern uns daran, Querdenker lesen jetzt in den RKI-Files das erste Mal davon.

Jetzt im Nachhinein, vier Jahre später, entdecken sie entgegen ihrer eigenen Propaganda, dass wir nicht alle nur “auf Parteilinie” waren, sondern halt Für und Wider diskutiert haben. Ihre viel zu einfachen Welt- und Feindbilder können es nicht verkraften, dass es schon immer unterschiedliche Meinungen zu Maßnahmen gab. Dass wir damals halt einfach echt auch vieles nicht wussten, was der beste Weg ist.

Dass Drosten und die Regierung (zu der Lauterbach damals nicht gehörte) unterschiedlicher Meinung sein konnten, und das trotzdem kein Skandal ist. Und dass es keine Verschwörung ist, wenn Drosten etwas nicht via RKI veröffentlicht hat, sondern lieber selbst öffentlich gesagt hat. Machen wir weiter.

Ungeimpfte waren ein großer Treiber der Pandemie

Im November 2021 waren den Zahlen zu Folge an 8-9 von 10 Neuinfektionen Ungeimpfte beteiligt. Damals war bereits klar: Geimpfte sterben sogar seltener als Ungeimpfte an Nicht-Covid-Gründen (Studiemehr dazu). Der Impfstoff wirkt stark gegen Infektion und schweren Verlauf (QuelleQuelle). Ungeimpfte mussten knapp 9-mal so häufig wegen Corona ins Krankenhaus wie Geimpfte. Deshalb sprachen einige auch von einer “Pandemie der Ungeimpften”. So auch der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn.

Das ist nicht ganz falsch, aber auch so in seiner Pauschalität wurde das seinerzeit auch bereits kritisiert. Zum Beispiel von Prof. Drosten.

Screenshot

Er sagte: “Wir haben eine Pandemie, zu der alle beitragen – auch die Geimpften, wenn auch etwas weniger”. Und er sagte auch: “Mangels Alternativen wird man wegen der Ungeimpften wieder in kontakteinschränkende Maßnahmen gehen müssen.” Wie du siehst: Wir haben damals schon über den Begriff gestritten.

90 bis 95 Prozent der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen nicht geimpft

Ein besonderer Aufreger zu den neuen RKI-Files ist jetzt dieses „Pandemie der Ungeimpften“, die fachlich nicht korrekt war, aber von Politikern wie Jens Spahn genutzt wurde. In einem Dokument mit dem Titel “Ergebnisprotokoll vom 5. November 2021” erklärte ein Vertreter eines RKI-Fachgebiets:

“In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das in Kommunikation aufgegriffen werden?”

Die Reaktion: “Dient als Appell an alle, die nicht geimpft sind, sich impfen zu lassen.” Dann äußert ein Vertreter eines anderen Fachgebiets: “Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden.”

Ein Sprecher Spahns sagte, der damalige Minister habe auf den Umstand verwiesen, dass 90 bis 95 Prozent der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen nicht geimpft gewesen seien. “Die fachliche Einschätzung aus dem RKI, dass die Gesamtbevölkerung auch beiträgt, widerspricht dem nicht.”

Und jetzt die Frage: Wo ist jetzt der große Skandal? Die große Vertuschung? Die große Täuschung? Ungeimpfte waren Haupttreiber der Pandemie, die Impfung, zu der so motiviert werden sollte, hätte es eindämmen können. Klar kann man das kritisieren – und wurde es auch, wir haben diese Debatte bereits 2021 geführt, aber Querdenker haben das offenbar nicht mitbekommen – aber was ändert das an der Einschätzung der Pandemie-Strategie im Nachhinein?

Und so geht das immer weiter

Querdenker & Co. können es nicht verkraften, dass die meisten Deutschen endlich die Pandemie-Zeit hinter sich lassen wollen. Nein, sie können es nicht verarbeiten, dass sich niemand für ihre Verschwörungsmärchen interessiert. Und sie wollen Rache für die Demütigung, die sie erhalten haben, weil sie sich selbst lächerlich gemacht haben. Sie fordern Entschuldigungen und Konsequenzen dafür, dass wir uns nicht im Nachhinein ihrem Wahn beugen wollen.

Sie haben etliche Leben gefährdet und mit ziemlicher Sicherheit auch zerstört. Wäre die Impfbereitschaft höher gewesen, hätten sicherlich viel mehr Menschen überlebt. Aber nein, sie mussten mit Lügen und Panikmache die Impfung schlecht reden und Corona verharmlosen. Aber wir sollen uns entschuldigen? Querdenker können nicht loslassen. Sie können nicht akzeptieren, dass sie falsch lagen und auch nicht, dass niemand mehr Bock auf das Thema hat.

Die allermeisten Menschen finden noch heute die Corona-Maßnahmen richtig, eine Mehrheit war zufrieden mit den Maßnahmen und hat Verständnis für das Vorgehen der Politik. Es war eine harte Zeit, und nein, nicht alles wurde richtig gemacht. Wir “schlafen” nicht, wir sind nur müde, weil die Debatten, die die verzweifelten und verbitterten Querdenker alle paar Monate wieder hochkochen, schon vor 3 Jahren geführt wurden, als die Verschwörungsgläubigen noch ihre Masken auf Fusseln untersucht haben.

Wo sind eure Entschuldigungen?

Viele Menschen wurden bedroht, beleidigt, belogen – von den Pandemie-Leugnern. Wir wurden von Wodarg verklagt – erfolglos! – weil wir Fakten zu Corona berichtet haben. Querdenker schweigen. Sie lagen mit so ziemlich allem falsch, was sie je behauptet haben, aber wollen Entschuldigungen. Ja, eine Aufarbeitung wäre gut. Eine wissenschaftliche, faktenbasierte. Eine Versöhnung wäre auch gut.

Aber Menschen, die sich für Fakten und Wissenschaft eingesetzt haben, an den Pranger zu stellen, gehört nicht dazu. Wo sind die Entschuldigungen der Querdenker? Es kommen einfach immer noch mehr Lügen oder aufgebauschte Märchen wie jetzt schon wieder zu den RKI-Files. Wie wäre es, ihr arbeitet erstmal EURE Propaganda der letzten Jahre selbstkritisch auf und entschuldigt euch?

Alle paar Wochen wird die gleiche Sau zu den RKI-Files durchs Dorf gejagt, und dass kaum noch jemand den Pandemie-Leugnern widerspricht, interpretieren diese als Sieg. Wir haben einfach nur keinen Bock auf euch und eure immer gleichen Lügen. Wenn ihr eine konstruktive Debatte wollt, wo wart ihr dann 2020 und 2021? Ihr habt Cola auf Schnelltests gekippt und alle paar Wochen erklärt, JETZT wäre Deutschland aber wirklich eine Diktatur.

Nur weil ihr in den konstroversen Debatten 2020 und 2021 nicht dabei wart, heißt das nicht, dass keine stattgefunden haben. Eure hämischen Posts von heute, wo ihr diese Diskussionen zum ersten mal entdeckt, sind nicht heroisch, sie sind peinlich. Der eigentliche Skandal ist, dass so viele Menschen immer noch auf diese Propaganda hereinfallen und wir wirklich immer noch mit Leuten reden müssen, die Selbstkritik von einem verlangen. Die aber nie zu einem Hauch davon selbst in der Lage sind. Das ist die Wahrheit zu den RKI-Files.

Artikelbild: Kay Nietfeld/dpa