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Rechte treffen, wo es weh tut: Bei den Spenden

von | Jul 16, 2024 | Aktuelles, Analyse

Extreme Rechte und Verschwörungs-Plattformen leben von Spenden für ihre Propaganda. Michael Bonvalot hat für euch die Banken und Bezahldienste recherchiert, über die in Österreich die Gelder laufen. So geht es jetzt einigen Rechten wie der AfD, die aufgrund von einer erfolgreichen Petition der “Omas gegen Rechts” ihr Spendenkonto bei der Berliner Volksbank verloren hatte. Und auch die rechtsextreme Identitäre Bewegung ist betroffen.

Rechte Tränen

Die Gruppe Identitäre jammert. “Aufgrund politisch motivierter Kontokündigungen” würde aktuell leider angeblich kein Spendenkonto zur Verfügung stehen, behauptet die rechte Plattform “Heimatkurier” auf ihrer Website. Die Seite gilt als Sprachrohr der neofaschistischen Identitären-Truppe.

Herausgeber des “Heimatkurier” ist der Identitären-Kader Philipp Huemer, in der Vergangenheit trat er auch als österreichischer Co-Sprecher der Gruppe auf. Die Behauptung der einschlägigen Truppe ist allerdings ein wenig widersprüchlich.

Denn auf Telegram schreibt der Heimatkurier, dass die Gruppe derzeit sehr wohl ein Konto hätte: Bei der noblen Wiener Privatbank Schelhammer Capital. Es ist eine Bank, die traditionell beste Verbindungen zur katholischen Kirche in Österreich hat. Wenige Stunden nach dem erstmaligen Erscheinen meiner Recherche auf standpunkt.press gibt der Heimatkurier allerdings via Telegram bekannt, dass das Konto gekündigt worden sei.

Hier findet ihr die gesamte Liste aller Banken, Konten und Zahlungsdienste der extremen Rechten der Verschwörungsszene aus Österreich.

Antisemitismus geht nach hinten los

Auch die rechte Verschwörungsplattform “Report24” beklagt bereits den Verlust eines Spenden-Kontos. Das Problem sei, dass Daueraufträge damit “ins Leere” laufen würden. Noch dazu wäre die Kündigung des Kontos “keine sieben Stunden” nach Veröffentlichung eines Artikels über die Familie Rothschild erfolgt. Tatsächlich ist es sehr fraglich, ob eine Bank so schnell reagieren könnte. Sicher aber ist: “Die Rothschilds” müssen seit vielen Jahren für allerlei antisemitische Verschwörungserzählungen herhalten.

Doch inzwischen gibt Report24 bereits ein neues Konto an: Bei der bekannten deutschen Bank N26, wo auch zahlreiche weitere Plattformen der Szene untergekommen sind. Diese Bank ist übrigens seit einiger Zeit auch verstärkt in Österreich aktiv, unter anderem bis zum Ende dieser Saison als offizielle “Partnerbank” des Wiener Fußballvereins Rapid.

Ebenfalls sehr beliebt war bisher in der Szene die Revolut Bank. Diese Bank arbeitet mit einer Lizenz aus Litauen, der tatsächliche Sitz ist London. Das dürfte sich nach Erscheinen dieser Recherche ändern, mehr dazu gleich!

Identitäre arbeiten mit zahlreichen Tarnnamen

Und dann ist da noch Identitären-Gesicht Martin Sellner. Laut eigenen Angaben hätte er immer wieder beträchtliche Schwierigkeiten, ein Konto für seine einschlägigen Aktivitäten zu finden. Doch jüngst gibt er eine Erfolgsmeldung ab: Er hätte jetzt ein neues Konto bei der Erste Bank-Sparkasse, einer der größten Bankengruppen in Österreich und Osteuropa. Auch mehrere andere einschlägige Szene-Plattformen haben ihre Konten übrigens bei der Sparkassengruppe.

Vor allem die Identitären haben dabei zahlreiche unterschiedliche Konten, eine komplette Liste findet ihr hier. Der Hintergrund: Indem die Gruppe mit zahlreichen Tarnnamen arbeitet, wird Größe vorgetäuscht. Hier habe ich alle Tarnnamen der Gruppe für euch aufgeschrieben.

Debanking: “Eine der schärfsten Waffen” gegen die Rechten

Dass Konten verloren gehen können, musste jüngst auch die extrem rechte AfD erfahren. Mehr als 33.000 Unterschriften hatte die Initiative “Omas gegen Rechts” mit einer Online-Petition gesammelt. Und damit offenbar erreicht, dass die Berliner Volksbank Anfang Juli 2024 die Geschäftsbeziehung beendet hat, wie die taz berichtet. Die Bank verweist auf das Bankgeheimnis, doch sie dementiert den Bericht zur Konto-Kündigung nicht.

Der Identitären-nahe Schreiber Jonas Greindberg klagt derweil auf der einschlägigen Plattform “Freilich”, dass das sogenannte “Debanking” eine der “schärfsten Waffen des woken Establishments” sei. Ein guter Grund, sich dieses Debanking einmal näher anzusehen. Denn die Episoden, über die ich euch in der Einleitung erzählt habe, stehen stellvertretend für eine Geschichte, die bisher noch kaum erzählt wurde.

Es ist die Geschichte, über welche Banken und Online-Finanzplattformen sich extreme Rechte und Verschwörungserzähler:innen aus Österreich finanzieren. In den meisten Fällen sind die Banken dabei allerdings zu Beginn unschuldig – so werden Spendenkonten oft über harmlos klingende Vereine eröffnet. Dazu kann auch nicht erwartet werden, dass einzelne Bankangestellte die Personen des Milieus allesamt mit Namen kennen. Doch spätestens nach meinen Anfragen müssen nun alle Banken Bescheid wissen.

Was die Banken dazu sagen

Denn für diese Recherche habe ich alle im Artikel genannten Banken und Online-Finanzplattformen um Stellungnahmen ersucht (was enorm viel Arbeit war).

Einige haben gar nicht geantwortet, die anderen sinngemäß, dass sie aufgrund des Bankgeheimnisses zu einzelnen Konten nichts sagen könnten. So schreibt etwa die vormalige Heimatkurier-Hausbank Schelhammer, dass aufgrund des österreichischen Bankgeheimnisses “keine Auskünfte zu individuellen Kundenbeziehungen” gegeben werden dürften.

Die Erste Bank-Sparkasse will sich dazu auch “selbstverständlich von jeder Form extremistischen Gedankenguts distanzieren”. N26 sagt, dass “mögliche illegale Aktivitäten” sowie mögliche Verstöße gegen die Geschäftsbedingungen “grundsätzlich streng” überwacht würden. Konkrete Folgen werden aber nicht in Aussicht gestellt.

Die Identitären verlieren nach meiner Anfrage mehrere Spenden-Konten

Einige Banken dürften jetzt tatsächlich handeln. Die Kontosperre für den Heimatkurier nach Erscheinen meiner Recherche hatte ich bereits erwähnt. Und auch die Online-Bank Revolut ist aktiv geworden. So hat die Bank nach meiner Anfrage nach eigenen Angaben sofort das Konto des “Castell Aurora” in Steyregg bei Linz geschlossen. Dabei handelt es sich um das Zentrum der neofaschistischen Gruppe Identitäre in Oberösterreich. Bereits im Jänner sei laut einem Bank-Sprecher auch das Konto der Finanzierungsplattform “Ein Prozent” gekündigt worden. Über diesen deutschen Verein werden zahlreiche extrem rechte Projekte finanziert.

Und, vermutlich besonders schmerzhaft für die Identitären-Truppe: Auch das Konto eines Vereins zur “Förderung der Medienvielfalt” sei nach meiner Anfrage gekündigt worden, wie mir ein Revolut-Sprecher schreibt. Über dieses Konto liefen zahlreiche Spendenaufrufe von Szene-Gesicht Martin Sellner.

Weiterhin über Revolut läuft allerdings eines der Konten des Verschwörungserzählers Manuel Mittas. Die erratische Szene-Figur hat beste Kontakte zu Neonazi Gottfried Küssel. Bekannt wurde er etwa durch die Zerstörung einer Regenbogen-Fahne auf der Bühne eines Corona-Aufmarschs.

Auch viele Zahlungsanbieter von AUF1 dürften nun weg sein

Ein Online-Zahlungsanbieter hat nach meiner Anfrage ebenfalls sofort reagiert: Klarna schreibt, dass dessen Angebot bei der Verschwörungsplattform AUF1 “mit sofortiger Wirkung” entfernt werden würde, so Sprecherin Meike Ostwald. Es würden auch “Maßnahmen in die Wege geleitet”, um sicherzustellen, dass AUF1 die Plattform auch künftig nicht mehr für das Sammeln von Spenden benützen könne.

Auch Google reagiert auf meine Anfrage bezüglich der Benutzung von Google Pay durch AUF1. Ein Google-Sprecher erklärt, dass inzwischen Maßnahmen ergriffen worden seien, um Google Pay als Zahlungsoption für AUF1 zu deaktivieren. Andere Online-Finanzplattformen wie Paypal, Stripe, Boosty oder Donorbox haben bis Redaktionsschluss dagegen gar nicht geantwortet – falls noch Antworten kommen, werden diese eingefügt.

Am 8. Juli muss AUF1 schließlich bekannt geben, dass bereits insgesamt acht Konten der Verschwörungsplattform gekündigt worden seien. Die Plattform würde nun auf ungarische Konten ausweichen.

Ein gefährliches Paralleluniversum

Tag für Tag versorgen rechte Plattformen ihre Leser:innen mit ihrer einschlägigen Propaganda. Ihre Feindbilder: Menschen mit Migrationsbiographie, die LGBTI+-Community, die Wissenschaft und natürlich “die Linken”. Einige Plattformen verbreiten dazu auch regelrechte Lügen und Verschwörungserzählungen – etwa über die menschengemachte Klimakrise oder die Covid-Pandemie.

Wer davon profitiert? Zum Einen natürlich die Herausgeber:innen all dieser Plattformen. Sie machen oft mächtig Kohle. Um allerdings weiter abkassieren zu können, müssen sie in der Aufmerksamkeitsökonomie immer neue Geschichten finden – und sich im Idealfall gegenseitig übertrumpfen. Die Folge: Immer absurdere Verschwörungserzählungen werden verbreitet.

Von Österreich aus wird Deutschland ins Visier genommen

Doch auch auf parteipolitischer Ebene gibt es eindeutige Profiteure: In Österreich ist es die FPÖ, in Deutschland die AfD. Die FPÖ kann dabei inzwischen auf ein regelrechtes Ökosystem von extrem rechten Portalen und Social-Media-Kanäle zurückgreifen. Und deren Bedeutung reicht dabei teils weit über die Alpenrepublik hinaus.

Verschwörungsideologische und weit rechte Seiten aus Österreich – etwa AUF1, Info Direkt oder Report24 – haben inzwischen sogar einen Großteil ihrer Zugriffe aus Deutschland. Das zeigt meine Auswertung über das Vergleichsportal Similarweb.

FPÖ und AfD finanzieren die Szene

Auf fast allen genannten Plattformen finden sich laufend Inserate der FPÖ – es scheint kaum realistisch, dass sich die Szene ohne die FPÖ finanzieren könnte. Während der schwarz-blauen Koalition sorgten auch blaue Ministerien mit Steuergeld für Inserate. Dazu schaltet zunehmend auch die AfD ihre Werbung auf österreichischen Plattformen mit einer gewissen Reichweite in Deutschland.

An dieser Stelle ein wichtiger Disclaimer: Diese Recherche umfasst das gesamte extrem rechte wie auch das verschwörungsideologische Spektrum – mit der wesentlichen Ausnahme von FPÖ und AfD. Das wäre aufgrund der zahllosen Ortsvereine und Vorfeldorganisationen nicht zu leisten gewesen. Doch selbstverständlich gehören die FPÖ und die AfD zum Milieu der extremen Rechten. Tatsächlich sind sie die wichtigsten Player in diesem Milieu.

Sie verkaufen absurde Eso-Produkte – und machen damit enorm viel Geld

Ohne Geld läuft im Kapitalismus bekanntlich wenig. Das gilt auch für die extreme Rechte und für verschwörungsideologische Plattformen. Neben den Inseraten läuft die Finanzierung vor allem über Spenden aus dem Sympathisant:innen-Milieu. Die Plattform “AUF1” hat dazu gar ein eigenes “Unternehmernetzwerk” aufgebaut. Für dieses Netzwerk gibt es auch ein eigenes Werbevideo. Gleich zu Beginn beklagt Magnet darin – in klassisch neoliberaler Sprache – die “Gängelung der Unternehmen”. Und dann gibt es neben Spenden und Inseraten noch eine dritte Einnahmen-Säule: Der Verkauf verschiedenster Produkte über eigene Shops.

Der einschlägigen Fantasie sind dabei wenig Grenzen gesetzt: Das Sortiment reicht von wirren Esoterik-Armbändern über abstruse USB-Sticks “gegen Elektrosmog” für schlanke 149 Euro (von unabhängigen Wünschelrutengängern getestet!) bis zu versteckten Waffen wie einem “Sicherheitsschirm”. Gesehen bei AUF1 um wohlfeile 109,90 Euro (Werbespruch: Darf “auch in streng kontrollierten Bereichen” mitgeführt werden).

Vorbild: Geschäftemacher aus den USA

Die US-Seite “Infowars” des Verschwörungsideologen Alex Jones verkauft dazu auch Tinkturen namens “Super Male Vitality” und “Super Female Vitality” – also super männliche und super weibliche Lebenskraft. Was in dem Zeug drin ist, ist reichlich unklar. Super Female Vitality jedenfalls sei “das Ergebnis beispielloser alter Weisheiten, die im Lichte moderner Geräte und Analysen neu interpretiert wurden”.

So heißt es zumindest auf Infowars in typisch esoterischer Schwurbelei. Infowars könnte nun allerdings schließen müssen, nachdem Alex Jones die Opfer seiner Lügen entschädigen muss. Wie gefährlich diese Lügen sind, habe ich hier für euch aufgeschrieben.

Auffallend allerdings ist, dass es die Frauen-Flaschen um 27,98 Dollar gibt, während die Männer-Flaschen 52,45 Dollar kosten. Ob wir jetzt daraus schließen können, dass die männlichen Fans von Jones nochmals doppelt so blöd sind wie die weiblichen? Das überlasse ich Eurer Interpretation. Doch weil wir schon bei Dingen sind, die wirklich ins Auge gehen können: Die Truppe rund um den österreichischen Verschwörungszähler Martin Rutter verkauft sogar hoch riskante Stromverträge. Hier habe ich diese Geschichte für euch aufgeschrieben.

Antifaschist:innen nehmen jetzt die Banken für rechte Spenden ins Visier

Doch damit der Rubel weiter rollen kann, brauchen all diese Plattformen verschiedene Zahlungsdienstleister. Das können Banken sein oder auch Online-Bezahldienste wie PayPal und Stripe. Ohne solche Zahlungsdienstleister könnten die einschlägigen Plattformen schlichtweg keine Spenden mehr kassieren. Und die Shops der Szene müssten ohne Bezahlmöglichkeit via Kreditkarte sehr schnell zusperren.

Und genau hier setzen antifaschistische Aktivist:innen nun verstärkt an: Sie nehmen die Banken und Bezahldienste ins Visier, die den einschlägigen rechten Plattformen die Konten für Spenden zur Verfügung stellen. So klagte die Gruppe Identitäre in der Vergangenheit etwa über eine Kampagne der Plattform “Aufstehn” sowie einen Bericht der deutschen “Rechercheplattform zur Identitären Bewegung”.

Wie AUF1 ein Konto bei der Bank Austria verloren hat

Auch Martina Oberhammer engagiert sich speziell in diesem Bereich, rechte Spenden zu sabotieren. Ihren Namen habe ich auf Ihren Wunsch hin aus Sicherheitsgründen geändert. Oberhammer schreibt Banken an und fragt etwa nach, warum die jeweilige Bank “ein rechtsextremes Medium unterstützt”. Im Zuge meiner Recherche zeigt sie mir immer wieder aktuelle Screenshots ihrer Nachrichten. Und die Oberösterreicherin dürfte damit durchaus erfolgreich sein.

So schreibt etwa die Bank Austria-Gruppe nach mehreren Anfragen von Oberhammer zu einem Konto der Verschwörungsplattform AUF1, dass generell zu einzelnen Konten keine Aussagen getroffen werden dürften. Grundsätzlich aber würden derartige Kontoverbindungen nach Kenntnisnahme beendet. Kurz danach wird das Bank-Austria-Konto auf der AUF1-Seite tatsächlich nicht mehr angezeigt.

Rechte Spenden verhindern “Aus Überzeugung”

Inzwischen läuft das AUF1-Konto über die Volkskreditbank Linz – ob ein weiteres Spenden-Konto bei der Sparkassen-Gruppe noch aktiv ist, ist unklar. Beide Banken haben nach meiner Anfrage unter Verweis auf das Bankgeheimnis keine Auskunft gegeben. Warum Oberhammer das macht? “Aus Überzeugung”, wie sie sagt.

Banken hätten “eine große Verantwortung, was ihre Konten anbelangt”. Und diese Verantwortung müssten sie auch wahrnehmen. Oberhammers Vorschlag: “Kund:innen sollten in solchen Fällen bei den Banken nachfragen. Ganz generell, aber vor allem, wenn es die eigene Bank ist.”

Das Beispiel AUF1 zeigt jedenfalls, dass zumindest einige Banken und Bezahlplattformen auf solche Meldungen durchaus sensibel reagieren. Und auch die Identitären-Plattform Heimatkurier, Szene-Gesicht Sellner sowie Report24 haben offenbar Konten verloren.

Für die einschlägige Szene ist das eine schlechte Nachricht, immerhin sind sie dadurch in der Verbreitung ihrer Propaganda deutlich eingeschränkt. Alle Antifaschist:innen dagegen werden das für eine sehr gute Nachricht halten.

Hier findet ihr die gesamte Liste aller Banken, Konten und Zahlungsdienste der extremen Rechten der Verschwörungsszene aus Österreich.

Artikelbild: photocosmos1