560

England: Wie Elon Musk hilft, den “Bürgerkrieg” anzufachen

von | Aug 8, 2024 | Aktuelles

In England starteten Rechtsextreme, angestachelt durch Fake News, rassistische pogromähnliche Ausschreitungen gegen Unschuldige. Viele der Accounts, die diese Menschen mit reichweitenstarken Lügen auf Twitter aufgehetzt haben, wurden durch Elon Musk erst entsperrt oder ihnen wurde algorithmisch ihre Reichweite erhöht. Die rassistische Gewalt in England wird aber nicht nur indirekt durch den antisemitischen Twitter-Chef befeuert: Auch Musk selbst scheint besessen von einem “Bürgerkrieg” in Europa zu sein – und offenbar möchte er hier ganz aktiv etwas nachhelfen. 

Wer allerdings führenden Regierungspolitiker wie Außenministerin Baerbock oder Kanzler Scholz auf Social Media folgen möchte, der kommt immer noch kaum um Twitter herum. Warum haben offizielle Stellen noch Accounts auf einer derart gefährlichen Plattform, die inzwischen dazu beiträgt, durch Hass und Lügen Gewalt, Zerstörung und Angriffe auf Freiheit und Demokratie anzufachen?

Was ist passiert?

Der 17-jährige Brite Axel Rudakubana hat am 29. Juli eine Tanzveranstaltung angegriffen und drei Mädchen getötet. Mehrere weitere Personen wurden teils schwer verletzt. Rudakubana wurde in Großbritannien geboren. Seine Eltern stammen aus Ruanda. Die Familie war christlich und offenbar stark in der lokalen Kirche engagiert. 

Viele weitere Details zeichnen eventuell ein unvollständiges Bild, und wir werden vermutlich noch mehr erfahren. Verschiedene Medien berichten, dass Rudakubana Autist sein könnte. Sein Motiv ist aktuell völlig unklar. 

Desinformations-Accounts mit teils russischen Verbindungen verbreiteten die falsche Behauptung, dass der Täter ein muslimischer Geflüchteter sei, der mit dem Boot vor wenigen Jahren nach England gekommen sei. Das Ziel ist klar: Mal wieder Muslime und Schutzsuchende zum Sündenbock zu machen, die klassischen Feindbilder der extremen Rechten. Dabei ist das natürlich komplett gelogen. Weder Schutzsuchende noch Muslime haben damit etwas zu tun. Das hätten die friedlichen und gesetzestreuen Menschen zwar auch nicht, wenn eine der beiden Eigenschaften auf den Tatverdächtigen zugetroffen hätte, aber selbst das menschenrechtsfeindliche Argument der Sippenhaft, das die Rassisten hier anwenden, geht an der Realität vorbei. Das interessiert die randalierenden Rassisten aber kein bisschen.

Von Fake News zu Flammen: Online-Desinformation führte zu Gewalt in England

Falschinformationen führten also zu den derzeitigen pogromähnlichen Ausschreitungen durch Rechtsextremisten in ganz England. Und nein, wir verwenden dieses Wort nicht leichtfertig. Ein Pogrom beschreibt „Ausschreitungen gegen nationale, religiöse oder ethnische Minderheiten“, was hier ja vorliegt. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages liefert eine derartige Definition. Das sind keine “Proteste”, wie einige Medien es verharmlosen, erst recht nicht, wenn man Straf- und Gewalttaten verübt gegen Gruppen, die nichts mit dem zu tun haben, wogegen man angeblich “protestiert”.

Oft handelte es sich bei den gewalttätigen Randalierern um Neonazis, die extra anreisten, um sich an der rassistischen Gewalt zu beteiligen. Die rechtsextremen Chaoten steckten die eigenen Städte in Brand. Sie wurden nur von Gegendemonstranten und Polizisten abgehalten, noch mehr Asylbewerberheime und Moscheen anzugreifen. Das waren unter anderem Leute wie der hier:

In Rotherham wurde ein Feuer vor einem Asylbewerberheim gelegt. In Hull plünderten Randalierer Geschäfte und griffen ein Auto an. Im nordenglischen Sunderland versuchten Demonstranten einen Grabstein zu zerstören, attackierten eine Moschee und setzten ein Gebäude in Brand. In Bolton kam es zu Zusammenstößen zwischen rechtsextremen Demonstranten und Mitgliedern der asiatischen Gemeinschaft. Auch in Liverpool kam es zu Gewalt, dort wurde eine Bibliothek angezündet und ein Geschäft geplündert. In Middlesbrough kontrollierten Männer Autofahrer und fragten nach deren Herkunft, während Randalierer Fensterscheiben einschlugen, Autos anzündeten und ausländische Geschäfte angriffen. Und jede Menge Vorfälle mehr. Hass, Gewalt, Zerstörung. Das passiert, wenn Rechtsextreme mit Lügen aufgehetzt werden. Das sind keine “Proteste” und was sie vermeintlich mit der ursprünglichen Tat zu tun haben sollen, ist nicht nachvollziehbar.

Musks Hass-Algorithmus verbreitet Fakes

Das tatsächliche Verbrechen musste offenbar durch Fakes drastisch aufgebläht und an rechte Erzählungen angepasst werden. Ein christlicher Engländer passt da nicht so gut rein. Viele dieser Fakes wurden auf Twitter verbreitet und von tausenden gesehen. Dort gab es nicht nur keinerlei Hürden dafür, der Algorithmus hat sogar noch kräftig nachgeholfen. Experten sprechen sogar davon, dass Twitter inzwischen wesentlich schlechter mit Fake News umgegangen ist als Telegram. Das soll was heißen. Es könnte die schlimmste Mainstream Social Media Plattform sein, was Hass und Desinformation angeht.

Ein weiterer rechtsextremer Fake, der auf Twitter nicht nur massiv verbreitet wurde, sondern sogar buchstäblich trendete, war ein frei erfundener Name des mutmaßlichen Täters. Der korrekte Name des Angreifers ist Axel Rudakubana. Rechte streuten aber gezielt einen arabisch klingenden Namen, um einander aufzuhetzen. Wie das ISD, eine Beobachtungsstelle für digitalen Extremismus, in einem Report berichtet, wurde der falsche Name des Angreifers sogar in den Trends im Vereinigten Königreich gepusht und dadurch praktisch allen Twitter-Nutzern in England angezeigt.

Screenshot ISD

Twitter hat also aktiv mitgeholfen, den erfundenen Namen “Ali Al-Shakati” einzublenden. Damit soll auch das Narrativ genährt werden, dass es sich beim Angreifer um einen Muslim handelt. Es handelt sich aber wie gesagt um einen christlichen Engländer. 

Viele Hinweise, dass Twitter unter Elon Musk Rechtsextreme befeuerte

Das ISD führte auch eine Suche nach dem Hashtag “Southport” durch. Und völlig ohne Zusammenhang zum Suchbegriff wurde ein Hetz-Account eines rassistischen Kriminellen empfohlen. Der Account forderte buchstäblich ethnische Säuberungen gegen Muslime. Und das wäre auch so extrem verwerflich, aber hinzukommt auch noch, dass der Täter ja wie gesagt gar kein Muslim war. Ein Christ verübt Morde und der Nazi-Mob will Muslime aus dem Land deportieren oder schlimmeres. Und Twitter gibt sich aktiv Mühe, diesen Leuten Reichweite zu geben.

Screenshot ISD

Viele der Accounts, die den falschen Namen des Attentäters und falsche Verknüpfungen zur Asylthematik herstellen, waren “Blaue Haken”, und erhielten daher algorithmische Verstärkung. Sie bezahlen Elon Musk dafür, mehr Reichweite zu haben – und verbreiten Neonazi-Hetze und Lügen.

Auch später wurden von Blauhaken-Accounts noch Lügen verbreitet, um die Stimmung weiter anzuheizen. Hier ein Beispiel aus Scunthorpe, die Polizei schrieb, dass es keine Anzeichen für einen geplanten “Aufstand” (von Muslimen/Geflüchteten) gebe. Dieser Nazi-Account warnt aber “Weiße” davor, das Gebiet zu meiden. Wie viel offensichtlicher kann man das faschistische Gedankengut noch präsentieren?

Das alles ist typisch für die Richtung, die Twitter nimmt, seitdem sich buchstäbliche Nazi-Accounts reihenweise Twitter Blue gekauft haben, um ihre Reichweite für ihre  rechtsextreme Propaganda und Lügen zu erhöhen. Wir berichteten:

Der Faschismus ist wieder da. Und er hat sich Twitter Blue gekauft.

Einpeitscher Elon entsperrte EDL-Accounts

Einer der wichtigsten Hass-Persönlichkeiten bei den Protesten ist der Rechtsextremist Tommy Robinson (bürgerlicher Name Stephen Yaxley-Lennon). Seinen Account hatte Elon Musk extra entsperrt, nachdem er früher auf Twitter für seine hasserfüllten Inhalte gesperrt war – und er hat seine Followerschaft seitdem verdoppelt:

Danke, Elon! Robinsons Film “Silenced”, in dem dieser gerichtlich verbotene Falschmeldungen über einen syrischen Schutzsuchenden wiederholt, erhielt auf Twitter 35 Millionen Views. Aktuell “versteckt” sich Robinson in einem 5-Sterne-Hotel in Zypern vor der britischen Justiz. Demonstrierende bei vielen der rechtsextremen Proteste riefen Robinsons Namen.

Robinson feuerte die Proteste ebenfalls weiter mit Lügen an, hier wieder mal mit einer frei erfundenen Geschichte. In Stirling erstach ein weißer Brite eine Frau. Der Rechtsextremist behauptete natürlich, dass der Täter ein Muslim sei, obwohl das mal wieder gar nicht stimmte. Die Polizei widersprach seiner Hetze.

Selbstverständlich werden die meisten derartiger Straftaten von Menschen ohne Migrationshintergrund verübt, aber von der extremen Rechten werden nur diese Fälle instrumentalisiert. Und zur Not lügt man sich das Weltbild weiter zurecht. Wieder passt also die Realität nicht zur rechten Hetze. Die Lügen sollen aber ganz akut die pogromartige Stimmung anheizen. Gut, dass die Polizei hier schnell widersprochen hat. Community Notes zum Post werden aber aktuell nicht angezeigt. 

Rechtsextreme nutzen Fakes gezielt, um Hass zu Schüren

Einen ähnlichen Fake verbreitete Tommy Robinson über einen Angriff in Stoke-o-Trent. Die Polizei bestätigte, dass es dort keinen Messerangriff gab. Offenbar wurde eine Person von einem Gegenstand am Kopf getroffen. Wer den Gegenstand geworfen hatte, war unklar. 

Es gab allerdings keinen Messerangriff, wie Tommy Robinson ohne jegliche Belege behauptete – und natürlich wieder mit “Muslimen” in Verbindung brachte:

In beiden Fällen gibt es vorgeschlagene Community Notes, diese werden aber wie so oft nicht angezeigt auf Twitter. 

Dies zeigt eine Strategie auf: Rechtsextreme nutzen bewusst Fake News, um weitere Gewalt zu schüren. Jetzt heizen sie die Situation mit ihren Lügen weiter an, zwanghaft erfinden sie Messerangriffe und Muslime, um die Followerschaft zu indoktrinieren und ein Bild zu zeigen, das einfach nicht der Realität entspricht. Das ist Hetze und Propaganda. Und das ist alles möglich und wird massiv angefeuert dank des Antisemiten Elon Musk und durch die Freischaltung der lügenden Rechtsextremisten durch ihn. Eine Studie zeigt, dass Twitter unter Musk hart nach rechts gekippt ist, Neonazi-Inhalte mit Blauen Haken genießen massive Reichweiten-Schübe. Elon Musk warf Twitter einst vor, die politischen Debatten zu beeinflussen. Jetzt macht er genau das.

Musk und sein rechter Mob zündeln in ganz Europa

Elon Musk hat aber nicht nur durch indirekt eine Mitschuld dabei, dass rassistische pogromartige Ausschreitungen durch Lügen auf seiner Plattform angeheizt werden. Er ist selbst einer derjenigen, die am reichweitenstärksten antisemitische Verschwörungsmythen, rechtsextreme Propaganda und massenweise Desinformation streuen. Auch im speziellen Fall in England will Musk wohl eine Eskalation sehen – und er zeigt Verständnis für die Neonazi-Gewalt und Zerstörung:

Screenshot standard.de

Es ist nicht das erste Mal: Hier antwortet er jeweils auf rechtsextreme Accounts und eine pro-russische Website, gibt ihnen dadurch Zustimmung und Reichweite. Und fantasiert dabei ständig wie besessen von einem “Bürgerkrieg”.

Es gab keine derartigen pogromartigen Ausschreitungen in England, bevor Musks Netzwerk Lügen an die britische Einwohner ausspielte. 

Wir hatten vorher den rechtsextremen Lügner Robinson erwähnt. Natürlich hat Musk direkt dessen Reichweite gepusht, in dem er zustimmend auf dessen Propaganda reagierte.

Der rechtsextreme Lügner Tommy Robinson interagiert auch regelmäßig mit Musk – die beiden reagieren aufeinander und verbreiten gegenseitig in einvernehmlicher Zustimmung ihre Inhalte. 

In der Vergangenheit retweetete Elon Musk den oben erwähnten Account, der für ethnische Säuberungen gegen Muslime aufrief. Ja: Elon Musk retweetet nicht nur einmal Accounts, die zu ethnischen Säuberungen aufrufen. Und er verbreitet auch Tweets von einer Rechtsaußen-Politikerin, die auf eine Fake-Schlagzeile zu erfundenen Internierungslagern hereingefallen ist. Was sagt das eigentlich über Musk aus?

Musks verdeckte Werbung für Trump

Seit dem Attentat gegen US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat Musk eine direkte Wahlempfehlung für den verurteilten Faschisten ausgesprochen: 

Wegen Musks Chatbot Grok wird aktuell ermittelt, da dieser falsche Wahlinformationen verbreitet hatte. Musks “America PAC”, eine Lobbygruppe, verbreitet offenbar ein gefälschtes Formular für Wahlregistrierungen. Dieses leitet einen nur dann weiter, wenn man in einem pro-republikanischen Staat lebt, speichert aber dennoch alle Informationen. Aktuell laufen Ermittlungen gegen Musks Pro-Trump-Lobbyorganisation.

Extremistische Einflussnahme auch in Deutschland

Musks Einflussnahme in Richtung rechtsextremer Ideologie geht uns auch in Deutschland etwas an. Musk äußerte sich wenig überraschend wohlwollend zur rechtsextremen AfD. Öffentlich griff er zum Beispiel das Auswärtige Amt an, das konterte schlagfertig, wie wir berichteten:

Lang ist auch die Liste an antisemitischer Propaganda, die Musk bereits unterstützt oder verbreitet hat: 

Sogar die WELT, bekannt dafür, rechte Desinformation zu verbreiten und einst Musk über den Klee zu loben, benennt mittlerweile Musks offenen Antisemitismus. 

Schützt uns vor dem Terror-Mob von Musk!

Anstatt dass deutsche Politiker uns vor Musks Terror Mob schützen, der in England pogromartige Ausschreitungen verübt und die Straßen anzündet, lassen sie sich mit dem antisemitischen Verschwörungsgläubigen auch noch stolz ablichten: 

Auch Regierungspolitiker wie Scholz, Baerbock, Lindner und andere Spitzenpolitiker sind weiter vor allem auf Twitter anzutreffen, aber nicht auf anderen Mikroblogging-Diensten wie Bluesky, Mastodon oder Threads. 

Während viele – so auch wir – nur noch pro-forma mit gesperrten Kommentarspalten auf Twitter sind oder ihre Accounts ganz gelöscht haben

Die Drogeriekette Rossmann boykottiert sogar Tesla, das ebenfalls dem rechtsradikalen Verschwörungsideologen Musk gehört. Auf Twitter kann dagegen ein Russia Today Mitarbeiter, ein Mitarbeiter von Putins Staatspropaganda also, direkt unter einem Tweet des Bundeskanzlers Lügen und Hetze verbreiten – dank Twitter Blue an erster Stelle:  

Wer lesen will, was der Kanzler sagt, wird fast zwangsläufig mit russischer Propaganda konfrontiert und hilflos rechtsextremer Desinformation ausgesetzt. Ist das im Sinne der Bundesregierung und Olaf Scholz?

Das einfachste und mindeste, was deutsche Politiker tun könnten, um zu verhindern, dass Musk mit seinen Nazis und seinen Lügen auch in Deutschland einen “Bürgerkrieg” anheizt und es zu Ausschreitungen wie in England kommt, ist, endlich aufzuhören, dort einen Account zu betreiben und der Plattform damit Relevanz und Wichtigkeit zu geben – und damit diesem Hass und diesen Lügen. Es ist längst überfällig. Sonst sind jede Versprechen, gegen Hass und Desinformation vorzugehen, nur hohle Worte. Was soll Musk machen? Sie verklagen?

Artikelbild: Danny Lawson/PA Wire/dpa  + Owen Humphreys/PA Wire/dpa, Musk: Frederic Legrand – COMEO