3.760

AfD Thüringen zitiert Nazi-Dichter Langheinrich im Wahlprogramm

von | Jul 24, 2024 | Aktuelles

Der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD-Landesverband Thüringen hat sein Wahlprogramm für die Landtagswahl im September veröffentlicht. Neben den extremistischen Inhalten der Partei fällt dabei überraschenderweise auch ein Gedicht auf. Dieses Gedicht stammt von Franz Langheinrich – einem deutschen Dichter, der nicht nur zufällig während der Zeit des Nationalsozialismus lebte, sondern diesen auch ideologisch eifrig unterstützte. Ein Zufall ist das nicht mehr.

Wahlkampf mit dem Nazi-Dichter

In Thüringen tritt die dort als gesichert rechtsextrem (und laut Medienberichten wohl bald auch “kämpferisch-aggressiv”) eingestufte AfD im September mit großem Selbstbewusstsein an. Wahlumfragen sehen die Rechtsextremen vorne, schlimmstenfalls sogar mit der “Sperrminorität” von 33 % der Mandate. Umso erschreckender fühlte es sich für Demokrat:innen mit Geschichtsbewusstsein an, als die Partei ihr Landtagswahlprogramm veröffentlichte. Diesmal nicht nur wegen der Inhalte, sondern auch wegen eines auf der ersten Seite eingebundenen Gedichts des völkischen Poeten Franz Langheinrich (1864-1945).

Screenshot AfD-Landtagswahlprogramm Thüringen, Hervorhebung Volksverpetzer

Kennt man die Hintergründe zu ihm, wirkt diese vermeintlich harmlose redaktionelle Entscheidung der AfD wie eine Kampfansage an die Demokratie.

Franz Langheinrich: begeisterter Unterstützer von Nazi-Mythen?

Franz Langheinrich verfasste nicht einfach nur nette Gedichte. Der Künstler schrieb beispielsweise für die offen antisemitische Kunstzeitschrift “Das Bild”. Seine Unterstützung für die Ideologie der Nazis zeigte er beispielsweise 1935, fast zwei Jahre nach deren Machtübernahme. Damals hielt er eine Rede für die nationalistische “Deutsche Kunstgesellschaft”, Teil des “Kampfbunds für deutsche Kultur”. Der Kampfbund war ein entscheidendes Werkzeug der Nationalsozialisten zur kulturellen Einflussnahme. In dieser Rede begeisterte Langheinrich offenbar die zuhörenden Nationalisten derart, dass diese eifrig einen unterstützenden Brief an Alfred Rosenberg schickten. Ja, das ist der Rosenberg, der als Vordenker der nationalsozialistischen Ideologie gilt und später bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen hingerichtet wurde.

Der von der AfD zitierte Langheinrich bestärkte dabei in seinem Vortrag über “Bolschewismus in der Kunst” den antisemitischen Mythos vom “Kulturbolschewismus”, womit die Nazis jegliche Form von Kunst und Kultur bekämpften, die nicht ihrer Wahnvorstellung der “Deutschen Kunst” entsprach. Diese rechte Verschwörungserzählung überlebte als “Kulturmarxismus” das NS-Reich, im Kulturkampf gegen den Kommunismus der USA, aber auch in Europa. Der norwegische rechtsextreme Terrorist Anders Breivik bezog sich beispielsweise darauf. Und auch eine gewisse Beatrix von Storch stimmt in diesen Chor mit ein. Womit wir wieder bei der AfD wären.

Langheinrich-Zitat: Eher kein Zufall

Diesen Mann zitierte nun die AfD Thüringen prominent auf der ersten Seite ihres Wahlprogramms. Es ist fast schon unvorstellbar, dass niemand in der Partei davor einmal recherchiert hat, wer Franz Langheinrich war. Oder ist es doch möglich, dass die rechtsextreme Partei einfach zufällig dieses inhaltlich harmlose, nette Gedicht über das schöne Thüringen ausgewählt hat? Dass hier doch einfach nur nachlässig recherchiert wurde? Wohl eher nicht.

Denn die nächste Dogwhistle findet sich schon im Deckblatt des Programms. Dieses ist betitelt mit “Alles für Thüringen” – offensichtlich eine Anspielung auf die verbotene SA-Parole “Alles für Deutschland”. Für die Verwendung dieser Parole musste sich ja ausgerechnet der Faschist und Chef des Thüringer AfD-Landesverbandes Björn Höcke vor Gericht verantworten. Mittlerweile wurde er bereits zwei Mal zu Geldstrafen verurteilt. Doch damit ist klar: Das Gedicht (unter dem Titel “Für Thüringen”) ist nicht einfach zufällig da rein geraten, der nationalsozialistische Hintergrund des Autors ist sicher nicht “vergessen” worden. Es ist, wie das gesamte Wahlprogramm, eine Kampfansage an die Demokratie.

AfD ernst nehmen – als Bekämpferin der Demokratie

Wir sollten uns auch bewusst machen, dass die AfD hier nicht mehr Grenzen austestet oder provozieren möchte, wie eine klassische Protestpartei. Die Verantwortlichen in der Partei wissen, was sie da tun. Die Verbreitung rechtsextremer Parolen oder eines NS-Dichters, das sind keine Provokationen, mit denen die Partei “nur” ihre politische Konkurrenz verspotten will. Nein, diese Parolen sind mittlerweile ernst gemeint. Wer immer noch so tut, als wären Höckes Reden vom “Mahnmal der Schande” oder vom “Verlieren einiger Volksteile” irgendwie Ausdruck einer Unzufriedenheit übers Gendern oder schlechte Arztversorgung, belügt sich selbst.

Natürlich gibt es immer noch Menschen, die eine AfD-Wahl als Protestwahl wahrnehmen. Die glauben, dass sie damit der Politik in Berlin einen Denkzettel verpassen. Daneben gibt es aber unter den Wähler:innen und vor allem auch in den Parteieliten der AfD viele Menschen, die ein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben. Diese Leute wird Volksverpetzer mit so einem Artikel nicht erreichen. Uns geht es viel mehr darum, den Vernünftigen aufzuzeigen, wie akut die Gefahr tatsächlich ist. Damit sind auch Medien gemeint, die diese Partei, welche immer offener NS-Propaganda verbreitet, weiterhin verharmlosend als “populistisch” oder “radikal” bezeichnen.

Die AfD ist nicht nur populistisch oder nur radikal. Diese Partei zitiert den NS-Dichter Franz Langheinrich nicht aus Versehen, sie nutzt Nazi-Parolen nicht, um zu provozieren. Und sie ist auch nicht die Anwältin der “Frustrierten”, der “Enttäuschten” oder gar der “Ostdeutschen”. Klar, sie selbst behauptet das. Aber es ist wichtig, immer wieder zu betonen: Die AfD hat bei weitem nicht das Monopol auf politische Unzufriedenheit. Die rechtsextreme Partei mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaats zu bekämpfen heißt nicht, die Unzufriedenheit zu ignorieren, die die Partei so gut auszunutzen weiß. Doch wer das “Nie wieder” ernst meint, sollte sich friedlich, aber bestimmt gegen diejenigen stellen, die die Demokratie abschaffen wollen.

Artikelbild: Kknipsdesign