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Wie Rechte SLAPP-Klagen nutzen – und was wir dagegen tun können

von | Aug 7, 2024 | Analyse

Autor: Johannes Maurer. Dieser Artikel erschien zuerst bei Verfassungsblog. Zur besseren Lesbarkeit wurden teilweise Zwischenüberschriften von Volksverpetzer ergänzt.

SLAPP – dieses Kürzel steht für strategic lawsuits against public participation und befasst sich mit einem Phänomen, das sich steigender Beliebtheit erfreut: Klagen, die in erster Linie erhoben werden, um unliebsame Kritik zu unterdrücken. Insbesondere bei rechten Akteuren sind SLAPPs zuletzt immer beliebter geworden. Anfang des Jahres hat die EU eine Richtlinie gegen SLAPPs erlassen (näheres zum Begriff und Inhalt der RL hier und hier), die allerdings gerade gegen SLAPPs von rechts nicht viel ausrichten können wird. Daher wird es auch künftig auf die Zivilgesellschaft ankommen – dennoch gibt es auch für den Gesetzgeber Nachholbedarf.

Klagen gegen die öffentliche Beteiligung

Kürzlich hatte das OLG in Hamburg darüber zu entscheiden, ob eine Reihe öffentlicher Äußerungen eines Kommunalpolitikers über den Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstleisters das Persönlichkeitsrecht des Unternehmens verletzt habe (OLG Hamburg, Beschl. v. 8 März 2024, 7 W 22/24). Der Mitarbeiter hatte eine Kappe mit der Orchon-Rune getragen, die als Symbol der Ülkücüler-Bewegung, auch bekannt als „Graue Wölfe“, gilt. Daraufhin war er von dem Kommunalpolitiker als „Türkischer Rechtsextremist“ bezeichnet worden. Negative Presse also für den Sicherheitsdienstleister, der deshalb klagte, um diese Äußerung untersagen zu lassen. Das OLG Hamburg bestätigte nun die Entscheidung der Vorinstanz: Wer Symbole einer rechtsextremen Organisation trägt, muss damit leben, wenn andere ihn deshalb als Rechtsextremist bezeichnen.

Der Fall zeigt: Wenn Journalist*innen, Aktivist*innen oder andere zivilgesellschaftliche Akteur*innen über Missstände in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft berichten, müssen sie mit Gegenwind rechnen, auch in Form von Klagen. Dabei geht es oft nicht primär um Rechtsdurchsetzung, sondern eher darum, unliebsame Äußerungen zu unterdrücken. Konfrontiert mit einem hohen Prozessrisiko, so das Kalkül der in aller Regel finanziell überlegenen Kläger*innen, werden die Beklagten viele der Aussagen zurücknehmen oder zumindest nicht wiederholen. Besonders fatal ist das, wenn diese Strategie dazu dient, Berichte über Rechtsextremismus zu unterdrücken, da Aufklärung in diesem Bereich so bitter nötig ist. Umso wichtiger, dass die EU sich dem Phänomen nun mit einer Richtlinie gewidmet hat, könnte man meinen.

Schwächen der Anti-SLAPP Richtlinie und Alternativen

Allerdings wird diese Anti-SLAPP RL oft nicht greifen, gerade, wenn es um SLAPPs von rechts geht. Eine recht offensichtliche Schwäche liegt schon in der Zuständigkeit der EU. Ohne grenzüberschreitenden Bezug liegt keine Kompetenz vor. So greifen die Regeln nur, wenn im konkreten Fall Anknüpfungspunkte in mehr als einem EU-Staat bestehen. Bei nur 9,5% der erfassten SLAPPs lag dieser grenzüberschreitende Bezug 2023 vor. Die Mitgliedstaaten haben nun etwa zwei Jahre Zeit die Vorgaben der Anti-SLAPP RL umzusetzen, ob sie dabei der Aufforderung der EU nachkommen und analoge Regeln für inländische Verfahren erlassen werden, bleibt abzuwarten.

Ein noch größeres Problem ist aber, dass die Anti-SLAPP RL zu spät eingreift. Sie enthält nur Regeln für gerichtliche Verfahren, während SLAPPs in aller Regel mit einer – oft teuren – Abmahnung beginnen. Im rechten Spektrum ist dies ein beliebtes Instrument, Hans-Georg Maaßen bekennt sich bspw. offen zur Abmahntaktik. Für die*den Abmahnende*n hat dies mehrere Vorteile: Zunächst kann sie*er so auf einfach Wege und oftmals ohne rechtliche Prüfung auf der Gegenseite eine strafbewehrte Unterlassungserklärung erlangen. Zugleich schüchtert der dort aufgeführte Streitwert und die anwaltliche Gebühr der Abmahnung (die natürlich der*demjenigen aufgelegt wird, deren*dessen Äußerung angeblich rechtswidrig war) ungeheuer ein. Würde es zu einem Verfahren kommen, so drohen die Abmahnungen regelmäßig an, werde es erst richtig teuer.

Warum funktionieren SLAPPs von rechts so gut?

An dieser Stelle knicken diejenigen, die von (rechten) SLAPPs betroffen sind, regelmäßig ein. Zahlen und schweigen. Wie kommt es, dass Betroffene oftmals hilflos sind? Natürlich wirken die drohenden Kosten umso bedrohlicher, da die dem geltend gemachten Anspruch zugrundeliegende Rechtslage für Laien schwer zu durchschauen ist. SLAPPs bauen in der Regel auf einem Unterlassungsanspruch auf, meist aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1, ggf. 2 BGB. Voraussetzung dieses Anspruchs ist, dass die infragestehende Äußerung oder Handlung das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) der*des Klägerin*Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt.

Ergibt sich aus der Aussage bspw. der Vorwurf, dass der*die Kläger*in rechtsextrem sei, erzeugt dies eine „Prangerwirkung“ und berührt regelmäßig die Sozialsphäre des APR. Ist das APR betroffen, indiziert dies – im Gegensatz zu anderen absolut geschützten Rechtsgütern – nicht die Rechtswidrigkeit der Äußerung. Vielmehr muss positiv festgestellt werden, dass die Äußerung rechtswidrig ist. Hierfür kommt es auf eine Abwägung mit den Rechten der*desjenigen an, die*der sich geäußert hat. Dementsprechend müssen Meinungs-, bei Journalist*innen auch Presse- oder Rundfunkfreiheit mit dem APR der*des Betroffenen abgewogen werden.

Warum die Abwägung bei SLAPP-Klagen so kompliziert ist

Wann aber kann einer Äußerung sicher entnommen werden, dass eine Person zumindest in den Kontext rechtsextremer Netzwerke gerückt wird und so ihr APR wirklich betroffen ist? Und wann ergibt sich aus dieser Betroffenheit in der Gesamtabwägung eine so hohe Betroffenheit, dass das APR überwiegt und ein Unterlassungsanspruch besteht? Um das festzustellen, muss der Inhalt der Äußerung ermittelt werden, und zwar aus Sicht einer*eines Durchschnittsrezipient*in. Wer das ist, kann unter Umständen schwer zu ermitteln sein, zudem sind Äußerungen manchmal auch mehrdeutig.

Wie schwer die Auslegung von Äußerungen fällt, zeigt sich unter anderem darin, dass es oft schon umstritten ist, ob sie als Meinung, Tatsachenbehauptung oder gar Formalbeleidigung aufzufassen ist. Je nachdem sind unterschiedliche Anforderungen an die rechtliche Würdigung zu stellen. Auch Gerichte tun sich dabei schwer. Das prominente Künast-Urteil des LG Berlin ist sicherlich ein Extremfall (näheres dazu hier), aber das BVerfG sah sich wegen diverser Unklarheiten veranlasst, in einer vier Beschlüsse umfassenden Mitteilung die eigene Rechtsprechung zu konkretisieren bzw. nachzujustieren.1 Schon dieser oberflächliche Blick auf das Äußerungsrecht zeigt, wie schwer es sein kann, Ergebnisse der notwendigen Auslegungen vorherzusagen. Zahlen und schweigen scheint da der leichtere Ausweg zu sein.

Was getan werden kann

Welche Antworten die Zivilgesellschaft auf diesen unbefriedigenden Zustand finden kann, zeigt FragDenStaat beispielhaft mit dem Gegenrechtsschutz. Im Rahmen dieses Projekts können sich Personen, deren Äußerungen oder Tätigkeiten Ziel rechtsmotivierter juristischer Angriffe werden, beraten lassen. Damit kann Betroffenen frühzeitig, unter Umständen auch durch finanzielle Unterstützung, der Rücken gestärkt werden. Die Beratung hilft dabei, Risiken besser abzuschätzen, was Betroffene gerade dazu ermutigen kann, der (angedrohten) rechtlichen Auseinandersetzung nicht aus dem Weg zu gehen. In vielen Fällen lohnt es sich nämlich, diese zu suchen. Etwa 70 Verfahren hat der Gegenrechtsschutz mittlerweile betreut, fast alle begannen mit einer anwaltlichen Abmahnung. Wurden die Abmahnungen zurückgewiesen, meldeten sich diejenigen, die die Abmahnung ausgesprochen hatten, in der Hälfte der Fälle nicht wieder. Das zeigt, dass rechte Abmahner*innen oft wissen, dass die Ansprüche, die sie geltend machen, nicht bestehen.

Auch in den vor Gericht ausgetragenen Fällen hat sich das Engagement des Gegenrechtsschutzes gelohnt. Bislang gab es in sieben betreuten Verfahren eine gerichtliche Entscheidung, sechs davon gingen zu Gunsten der*des Betroffenen aus. Zwei dieser Entscheidungen wurden mittlerweile auch in der zweiten Instanz bestätigt, eine davon wurde eingangs bereits erwähnt. Neben der Unterstützung im Einzelfall hat der Gegenrechtsschutz noch einen weiteren wichtigen Effekt: Argumentationsstrukturen rechter Akteur*innen werden gerichtlich erschüttert. Dies macht es für die Zukunft leichter, adäquat auf ähnliche Argumente zu reagieren.

Anti-SLAPP Urteil zum Faschisten Höcke

Ein gutes Beispiel dafür ist das Urteil des VG Meiningen. Das VG hatte die Auflage für eine Demonstration, Björn Höcke zum Schutz dessen APR nicht als „Faschist“ zu bezeichnen, aufgehoben. Auch wenn das Urteil immer wieder dahingehend fehlinterpretiert wurde, ein Gericht habe festgestellt, Höcke sei Faschist (näheres dazu hier), ist die Wirkung kaum zu überschätzen. In Hessen wurden strafrechtliche Ermittlungen zu einem Plakat mit der Aufschrift „Björn Höcke ist ein Nazi“ eingestellt, die Argumentation gleicht der des VG Meiningen.

Zwar handelt es sich bei diesen Konstellationen nicht um Klagen von rechts, vielmehr griff der Staat ein, um Höckes APR zu schützen. Indem aber einmal öffentlichkeitswirksam festgestellt wurde, dass die Aussage „Björn Höcke ist ein Faschist“ ein von Art. 5 Abs. 1 GG geschütztes Werturteil ist, fällt es deutlich leichter, diese berechtigte Einschätzung in der Öffentlichkeit kundzutun. Auf ähnliche Weise können auch Verfahren des Gegenrechtsschutzes wirken. In den betreuten Fällen wurde unter anderem dem beliebten rechten Argument, die politische Einstellung sei Privatsache widersprochen,2 außerdem wurde das Laienprivileg im Hinblick auf die Wiederholung des Inhalts von Presseartikeln über rechtspopulistische Umtriebe gestärkt.3 Insofern kann der Gegenrechtsschutz auf verschiedenen Ebenen wirken und so die so wichtige Aufklärungsarbeit im Themenbereich Rechtsextremismus stärken.

Wo Änderungsbedarf besteht

Ohne die Zivilgesellschaft ist ein wirksames Vorgehen gegen SLAPPs von rechts nicht denkbar. Dennoch kann und muss der Gesetzgeber – unabhängig von der anstehenden Umsetzung der Anti-SLAPP RL – tätig werden. SLAPPs funktionieren für deren Initiator*innen besser, je höher das finanzielle Risiko für Betroffene ist. Dieses Risiko hängt wiederum unmittelbar mit dem Streitwert zusammen.

Bei den vom Gegenrechtsschutz betreuten Verfahren lag dieser bspw. zwischen 10.000 und 60.000€. Eine Deckelung könnte Abhilfe schaffen. Dabei müssten auch die Kosten von Abmahnungen beachtet werden, die, das legen die Zahlen des Gegenrechtsschutzes nahe, in vielen Fällen ins Blaue hinein ausgesprochen werden und im Erfolgsfall finanziell lohnend sind. Hier wäre es denkbar, eine an § 97a Abs. 3 S. 2 – 4 UrhG orientierte Regelung zu schaffen. Diese Norm beschränkt den Gegenstandswert, auf den sich die Abmahnung beziehen darf, in bestimmten Fällen auf 1.000 €. Abmahnungen könnten dadurch in der Regel nur noch mit etwas über 100 € in Rechnung gestellt werden.4

Insoweit bleibt es am Gesetzgeber, die Risiken für Betroffene von SLAPPs durch Deckelung der Streitwerte zu senken. Derweil wird sich zeigen, ob und inwieweit die Regelungen der Anti-SLAPP RL helfen werden. Zivilgesellschaftliches Engagement wird im Kampf gegen rechtsmotivierte SLAPPs aber weiterhin eine entscheidende Rolle spielen – so wie sie das beim Kampf gegen rechts überhaupt tut.

Artikelbild: canva.com

Fußnoten

  1. Ob konkretisieren oder nachjustieren besser passt, hängt vom genauen Verständnis der Beschlüsse ab, siehe dazu Albrecht, ZUM 2023, 8, 11 ff. ↩︎
  2. LG Hamburg, Beschl. v. 12. März 2024, 7 W 22/24 324 O 585/23. Dieses Argumentationsmuster findet sich bspw. auch in. den Reaktionen auf die Correctiv-Recherche von Anfang Januar 2024, vgl. Durach, AfD strebt „Skandalumkehr“ an – wie die Rechtspopulisten das Potsdamer Treffen kleinreden, 22. Januar 2024, Frankfurter Rundschau, https://www.fr.de/politik/social-media-hillje-afd-geheimtreffen-potsdam-correctiv-weidel-hoecke-kommunikation-strategie-zr-92782589.html. ↩︎
  3. OLG Dresden, Beschl. v. 5. Februar 2024, 4 U 534/23. Zu dem Verfahren ist allerdings eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH anhängig. ↩︎
  4. BeckOK Urheberrecht/Reber, 42. Edition 15. Februar 2024, UrhebG § 97a Rn. 27. ↩︎