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“Verbrenner-Aus”: Wie du von Politik und Medien belogen wirst

von | Aug 1, 2024 | Analyse

Ich mache jetzt das, was du in kaum einem deutschen Medium lesen wirst: Deutlich die Tatsachen aussprechen. Und Lügen als solche bezeichnen. Der Kaiser ist nackt. Du magst vielleicht meine krasse Überschrift ablehnen – oder sie als eine typisch Volksverpetzer, augenzwinkernd übertriebene Überschrift einschätzen. Aber gib bitte meinem Text eine Chance. Denn ich meine sie tatsächlich doch ein wenig ernst. Die ganze Debatte um das angebliche “Verbrenner-Aus” hat herzlich wenig mit der Realität zu tun. Und irgendwie ist niemand willens oder fähig, einfach die Wahrheit auszusprechen.

Die Lügen zur “Verbrenner-Verbot”-Debatte

Es gibt kein “Verbrenner-Verbot”, die Einbindung von E-Fuels ist bereits beschlossen, werden aber sowieso keine Rolle spielen und die CDU hat nie vor, die beschlossene “Klimaneutral-Pflicht” für Autos ab 2035 abzuschaffen. Die komplette Debatte vor der EU-Wahl war eine reine, populistische Inszenierung. Ich vermute, hast du kaum irgendwo gelesen, oder? Gehen wir die starken Behauptungen von mir mal der Reihe nach durch.

Es gibt kein “Verbrenner-Verbot”

Ab 2035 dürfen keine Autos in der EU neu zugelassen werden, die CO₂ ausstoßen. Das Verbot gilt aber nicht für Gebrauchtwagen. Wer vorher einen alten Verbrenner kauft, kann auch weiter Verbrenner fahren. Es ist außerdem auch „Technologie-offen“ und gilt unabhängig von der Antriebsart. Man kann auch nach 2035 einen Verbrenner fahren, wenn der Antrieb klimaneutral ist. Das hatte die FDP extra hinein verhandelt.

Das griffige – und irreführende – Framing von “Verbrenner-Verbot” und “Verbrenner-Aus” hat sich leider medial weit verbreitet und durchgesetzt. Das kann man noch nachvollziehen: Es gibt keinen guten, alternativen Begriff. Ich habe oben die ungelenke “Klimaneutral-Pflicht für Autos” genutzt. Aber es erweckt eben auch falsche Assoziationen, insbesondere, da in Politik und Medien auch breit so getan wird, als dürfte man nach 2035 keine Verbrenner mehr fahren.

Und irgendwann müssen unsere Autos eben klimaneutral werden, da sind wir uns ja auch alle einig. Bis 2050 will die EU klimaneutral sein, da stimmt die Union übrigens auch zu und hat sie fest vor, und das geht nun mal schlicht rein logisch nicht, wenn nach 2035 noch Neuwagen zugelassen werden, die dann jahrelang noch CO₂ herauspusten. Vor dem Bundesverfassungsgericht wurde eben auch entschieden, dass man solche Entscheidungen nicht beliebig in die Zukunft verschieben darf – das würde junge Menschen in ihren Freiheitsrechten verletzten.

E-Fuel-Kompromiss wird seit langem erarbeitet

Die FDP und Verkehrsminister Wissing haben längst durchgesetzt, dass die EU-Kommission, die “Klimaneutral-Pflicht” um eine E-Fuel-Ausnahme ergänzen wird. Direkt ins Gesetz eingeführt wurde es noch nicht, aber das liegt vor allem daran, dass es bisher derartige Verbrenner noch nicht gibt, nicht die nötigen technischen Einrichtungen und auch der komplette rechtliche Zulassungsrahmen dazu. Das wird seit bald 1,5 Jahren erarbeitet. Geplant ist Herbst 2024, es könnte allerdings auch bis 2026 dauern.

Das heißt: Wenn es regulatorisch, politisch und technisch möglich sein wird, wird die E-Fuel Ausnahme ja bereits kommen. Die CDU führte aber den Wahlkampf damit, zu versprechen, das “Verbrenner-Aus” – das es nicht gibt – zu stoppen. Nach der Antrittsrede von Ursula von der Leyen erklärte Manfred Weber (CSU): “Das Verbrenner-Aus ist Geschichte”. Verkehrsminister Wissing deutete ihre Rede als Versprechen, “nach ihrer Wiederwahl das Verbrenneraus rückgängig zu machen und sich für E-Fuels einzusetzen”.

Wortspielereien, die uns alle täuschen

Das “Verbrenner-Aus”, das es nicht gibt, wird “gestoppt” und dafür E-Fuel-Ausnahmen herein verhandelt, die bereits hinein verhandelt werden? Mit “Verbrenner-Aus”, von dem hier alle reden, wird ja nicht irreführend die Pflicht bezeichnet, dass neu zugelassene Autos ab 2035 klimaneutral sein müssen. Denn anders als wie Weber und Wissing und viele in den Medien von der Leyens Rede interpretiert haben, hat sie ja buchstäblich ebenfalls gesagt, sie werde “Kurs halten”. Und sich ausdrücklich zum European Green Deal und zum dazu gehörenden Flottenziel für die Autos ausgesprochen.

Kein Wunder, schließlich hat sie dieses Gesetz in ihrer ersten Amtszeit auch selbst auf den Weg gebracht.

Von der Leyen sagte wörtlich: „Wir werden dennoch einen zeitlichen Rahmen vorgeben, bis zu dem alle Autos emissionsfrei sein müssen. Sonst fehlt Planungssicherheit und wir werden die Klimaneutralität bis 2050 nicht erreichen.“

Übrigens sind auch damit die deutschen Konservativen und Liberalen ziemlich alleine mit dieser Inszenierung – die anderen EU-Konservativen und Liberalen teilen diese Position nicht und unterstützten das Gesetz, wie es ist.

Die Medien sprechen die Widersprüche kaum an

So konnte nach von der Leyens Antrittsrede der SPIEGEL titeln: “Ursula von der Leyen bleibt beim Verbrenner-Aus 2035”.

Und “Auto Motor Sport” titelt: “Ursula von der Leyen will Verbrenner-Verbot prüfen”.

Und die BILD, die im März 2023 bereits verkündete, das “Verbrenner-Aus” sei “gestoppt”, beklagt jetzt das “Festhalten am Verbrenner-Verbot”, während die Auto-Bild fragt: “Kommt jetzt das Aus fürs Verbrenner-Verbot”?

Das Schlagwort wurde zu einer bedeutungslosen Hülle. Und das war vermutlich Absicht. Es soll klingen, als soll die Klimaneutralitäts-Pflicht ab 2035 gekippt werden, um damit Wahlkampf zu machen, aber das hat ja niemand vor. Und die Debatte um “E-Fuels” ist ebenfalls eine Scheindebatte.

E-Fuels werden kaum eine Rolle spielen

Es stimmt zwar, dass es kein Verbrenner-Verbot gibt – die Ausnahme für E-Fuels wird sich für die meisten ohnehin nicht rentieren. Deshalb ist diese Forderung für „Technologie-Offenheit“ nicht nur sinnlos, weil sie bereits erarbeitet wird, sondern auch, weil kaum jemand etwas davon haben wird.

E-Fuels sind teuer. Sie kosten pro Liter gut 2 € vor Steuern (!). Das ist dreimal so teuer wie Benzin. Für reiche Sammler von Antiquitäten mit veralteter Antriebstechnik wie dem Porsche 911 kann das Sinn machen, für die breite Masse ist es viel zu teuer. Daher muss Finanzminister Lindner auch mit gigantischen Subventionen dein Steuergeld in E-Fuels verbrennen, um zumindest die Illusion von E-Fuels aufrechtzuerhalten. Auch wieder aus reinen PR-Gründen, um sich als Anti-Verbrenner-Verbot zu inszenieren, auch wenn das niemandem etwas bringt. Im Gegenteil, dieses unaufrichtige Hin und Her von Parteien wie FDP und Union verunsichert die Autohersteller und schadet der Wirtschaft.

„Wir befinden uns in einer kritischen Situation“, kritisiert ein Auto-Experte laut Merkur. „Einige Hersteller und Zulieferer hätten sich auf das Verbrenner-Aus vorbereitet und bereits größere Investitionen getätigt. Deshalb seien alle Entwicklungen schlecht, welche die Sicherheit diesbezüglich wieder ein Stück weit infrage stellen.“ Unternehmen können nicht planen, wenn die Politik dauernd schwankt in ihren Entscheidungen. Der Ford-Aufsichtsrat Chef zum Beispiel pocht auf das bisher geplante Gesetz, weil er sich Sorgen um den europäischen Wohlstand macht. Mit der Atomkraft war es übrigens sehr ähnlich gelaufen.

So viel zu der Behauptung der CDU, sie würden damit „das Auto“ oder Deutschland als „Autoland“ sichern. Weber fordert eine Änderung des Gesetzes – angeblich für Planungssicherheit für die Auto-Hersteller. Die beklagen sich aber, dass genau diese Forderungen wie aus der CSU erst für Unsicherheit sorgt, Audi-Chef Duesmann warnt vor Kehrtwenden. Große europäische Hersteller wie Fiat, VW, oder Volvo sind bald zu 100 % auf E-Autos umgestellt. Auch der Audi-Chef plant nicht damit: Im Pkw-Segment würden synthetische Kraftstoffe mittelfristig keine große Rolle spielen. Denn E-Fuels rentieren sich einfach nicht.

E-Autos fünfmal effizienter als E-Fuels

Wofür steht nochmal das E in „E-Fuels“? Für „Electro“, also Benzin, das aus Strom erzeugt wird. Durch die vielen Umwandlungsprozesse braucht das aber VIEL MEHR Strom, als den Strom einfach direkt in den Akku zu laden. Alleine die Abwärme der Motoren ist viel größer bei „Verbrennern“ (deswegen heißen sie so). Daher sind sie nicht nur viel teurer, sie haben auch eine wesentlich schlechtere CO₂-Bilanz als E-Autos. 

Der direkte Vergleich zeigt, wie schlecht E-Fuel-Autos funktionieren: Mit derselben Menge an Strom kann man entweder 100 km im E-Auto fahren. Oder man macht aus dem Strom E-Fuels, verbrennt das E-Fuel, um damit Zylinder zu bewegen, und fährt dann mit der Bewegungsenergie 20 km weit. Oder anders gesagt: E-Fuels sind 5-mal so teuer, wie den Strom einfach direkt zu laden. 

Also wofür die ganze Inszenierung?

Also falls die EU-Kommission einen funktionierenden Vorschlag erarbeiten kann, wie die Ausnahme für E-Fuels aussieht – woran sie seit fast 1,5 Jahren arbeitet – werden die ohnehin keine wirkliche Rolle spielen. Und das wissen auch diejenigen, die das als die große Debatte oder gar das “Aus” vom “Verbrenner-Aus” inszenieren. Volker Wissing und Manfred Weber fahren privat auch beide längst Elektroautos und finden die großartig.

Screenshot

Genau wie die größten Wärmepumpen-Gegner sich selbst welche eingebaut haben. Sie sind auch die billigsten, effizientesten Technologien, die sich auch zwangsläufig durchsetzen werden. Eben auch wegen der Gesetze wie die Klimaneutral-Pflicht ab 2035 oder den Emissionshandel, den Konservative wie Liberale selbst eingeführt haben oder befürworten.

Man könnte sich fragen: Worüber haben wir riesige Debatten geführt? Uns gestritten? Uns über schlecht gemachte Online-Umfragen der CDU lustig gemacht?

Es war pure Inszenierung und Wahlkampf

Das war alles heiße Luft, es war eine fast bedeutungslose Debatte. Niemand hatte ernsthaft vor, das Gesetz wesentlich zu ändern. Aber beim Anblick der Schlagzeilen und Lesen der Artikel der letzten Monate hast du sicherlich einen ganz anderen Eindruck erhalten. Vielleicht hast du durch die Lektüre gerade Dinge gelernt, die du noch nie gehört hast.

Und das meinte ich eingangs mit dem überzogenen “belogen”. Wieso haben es deutsche Medien mehrheitlich nicht geschafft, diese Tatsachen deutlich zu beschreiben? Ich habe für diese Recherche teilweise Artikel gelesen (und verlinkt), in denen eingangs erwähnt wird, dass die FDP die E-Fuel-Ausnahme hinein verhandelt hat, um später unkommentiert im Text die Forderungen von z.B. von der Leyen nach eben jener Ausnahme zitieren. Manche schaffen nicht mal, die bereits verhandelte Ausnahme zu erwähnen.

In den Artikeln wird groß von “Verbrenner-Aus” getitelt und als kommendes Gesetz beschrieben, aber dann weiter unten wird wie selbstverständlich erklärt, dass es einen Bestandschutz für zugelassene (Verbrenner-) Autos bis 2034 geben wird, und auch gebrauchte Verbrenner nach 2035 zu kaufen sein werden.

Screenshot Auto Motor Sport
Screenshot Auto Motor Sport

Alles, was du in BILD & Co. und allen, die immer noch von diesem agendegetriebenem Desinformationsmedium abschreiben, dazu gelesen hast, ist quasi heiße Luft. Als Journalisten will man die populistischen Sprüche und Ankündigungen von Politikern wie Weber oder Wissing ernst nehmen – die sich ironischerweise auch untereinander vorwerfen, mit ihren populistischen Forderungen die Öffentlichkeit zu täuschen. Aber man verpasst es regelmäßig, diese auch in die tatsächliche Faktenlage einzubetten.

Darum gehen unsere Debatten so daneben

Viele fragen mich bei Podiums-Diskussionen oder Buch-Lesungen, warum Desinformation derzeit so grassiert. Darum: Weil die etablierten Medien nicht in der Lage sind, diese ganzen populistischen Spielchen zu durchschauen. Weil sie funktionieren. Weil man damit die Debatte bestimmen kann, das Framing, die Wahrnehmung nach außen. Eben weil sich zu wenige trauen, Desinformation Desinformation zu nennen.

Wenn du gut in der Debatte drin steckst, hast du das meiste vielleicht auch gewusst. Aber die wenigsten von uns haben die Debatte so durchschaut. Sicherlich nicht diejenigen, die BILD & Co. gelesen haben. Die hatten einen komplett anderen Eindruck, worum es hier beim angeblichen “Verbrenner-Aus” eigentlich geht. Es ist sicherlich Absicht gewesen, um Stimmen vom rechten Rand aufzusammeln, um die FDP und die Union buhlen.

Es geht vielmehr darum, den Rechten noch ein paar Argumente zu nehmen, damit diese eher CDU statt AfD wählen. Ohne gleichzeitig die Mehrheit zu verlieren, weil man ganz den Klimawandelleugnern auch in den eigenen Reihen nachgibt. Ob dafür Desinformation aber der richtige Weg ist, darf stark bezweifelt werden. Hier wird ja der Eindruck erweckt, die Autoflottenziele für 2035 zu attackieren, obwohl man die in Wahrheit keine Sekunde in Zweifel zieht. Studien zeigen, dass das eher keine Wähler zurückholt, aber die Forderungen der Rechten stärkt. Die CDU hat in der EU-Wahl eben auch an die AfD weiter verloren.

Man könnte fast froh sein, dass weder FDP noch Union wirklich die Klimaziele angreifen, und dass hier einfach auch ziemlich viel nur Show ist. Ich bin aber der Meinung, es gibt keine “guten” Lügen für den guten Zweck. Auch weil so etwas die Ablehnung zu der dringend notwendigen Gesetzgebung sicherlich steigert. Wenn einfach unehrlicher Populismus immer weiter Mainstream wird, und die Medienlandschaft breit darin versagt, den einzuordnen, erodiert das den demokratischen Diskurs. Und davon profitieren letztlich nur die Demokratiefeinde.

Artikelbild: LLCV